Dr. Copper liegt daneben
Archivmeldung vom 14.07.2020
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Freigeschaltet durch André OttDer Kupferpreis ist am Montag mit 6622,50 Dollar je Tonne auf den höchsten Stand seit zwei Jahren geklettert. Er befindet sich damit auf einem Niveau, das deutlich höher ist als zu Beginn der Coronakrise. Dass dies während der Krise möglich ist, überrascht, zumal der Kupferpreis stark von realem Angebot und realer Nachfrage geprägt ist und weniger vom Interesse der Finanzinvestoren, wie das insbesondere bei Gold der Fall ist. Kupfer ist also in einem weit geringerem Ausmaß Teil der Spekulationsblase an fast allen Kapitalmärkten.
Damit stellt sich die Frage, woher dann das Potenzial für den Preisschub gekommen ist. "Dr. Copper" galt stets als ein zuverlässiger Indikator für den Zustand der Weltkonjunktur. Sollte also eine V-förmige Erholung Realität werden, die die Weltwirtschaft rasch auf ein Niveau hebt, das sogar über dem Stand von vor der Krise liegt?
Dazu ist zunächst festzustellen, dass es Sonderfaktoren gibt, die den Kupferpreis antreiben. Es sieht nämlich nach einer Verknappung des Angebots aus. Daran ist zum einen die in Südamerika heftig wütende Covid-19-Pandemie verantwortlich. So gehört Chile als der wichtigste Kupferproduzent zu den Ländern im Einflussbereich der USA, die die Seuche nicht in den Griff bekommen. Das schwach ausgeprägte Gesundheitssystem des Landes ist bereits überlastet. So lässt sich nicht ausschließen, dass der Lockdown auch den Kupferbergbau betreffen könnte, mit der Folge einer deutlichen Reduzierung des Angebots. Zudem gibt es in Chile einen Arbeitskampf. So haben die Minenarbeiter ein letztes Tarifangebot des Rohstoffkonzerns Antofagasta abgelehnt, so dass die Zeichen auf Streik stehen.
Nicht übersehen werden sollte auch, dass es vor allem die Konjunktur in China ist, die sich nach dem dortigen Sieg über die Pandemie zügig erholt - weniger jedoch diejenige in den weit entwickelten westlichen Ländern. Dies ist insofern von Bedeutung, als dass Chinas Wirtschaft noch stark auf die reale Industrieproduktion ausgerichtet ist, die mit einem hohen Kupferverbrauch einhergeht. Die vom Coronavirus besonders hart getroffenen weit entwickelten westlichen Länder sind hingegen vorwiegend auf den Dienstleistungssektor orientiert, ihr Kupferverbrauch ist deutlich geringer.
Es wäre also falsch, von der Entwicklung des Kupferpreises her auf eine freundliche Konjunkturentwicklung etwa in Europa oder den USA zu schließen. Als Konjunktursachverständiger liegt "Dr. Copper" diesmal daneben.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Dieter Kuckelkorn