Westdeutsche Zeitung: Die Pläne der SPD sind nachvollziehbar, aber leichtsinnig
Archivmeldung vom 06.09.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWer obdachlos ist, beneidet den Mieter. Der Mieter blickt sehnsüchtig auf den Wohnungseigentümer, der aber selbst von einem Haus oder gar einer Villa mit Pool im Grünen träumt. So ticken Menschen: Reich ist man nie selbst, reich sind immer die anderen.
Insofern tut sich die SPD leicht, wenn sie mit einem höheren Spitzensteuersatz und der Wiedereinführung der Vermögensteuer ernst machen will. Sie erntet breite Zustimmung. Denn vermeintlich sind die meisten ja nicht betroffen. Nur wer mehr als 100 000 - oder als Paar 200 000 Euro - verdient, müsste mehr Einkommensteuer zahlen. Beim Vermögen erscheint die Grenze mit einer Million ebenfalls hoch.
Die SPD trifft damit die allgemeine Stimmungslage. Es klingt ja durchaus vernünftig, wenn die Partei mit den erhofften Mehreinnahmen Schulden zurückzahlen und somit den Haushalt konsolidieren will. Dennoch irritiert es, dass jetzt gleich ein ganzes Land in einen Steuererhöhungs-Rausch verfällt. Und darüber vergisst, dass der Staat auch mit schlichtem Sparen viel erreichen könnte. Schade auch, dass angesichts der politischen Großwetterlage jeder, der auch nur darüber nachdenkt, dass höhere Steuern Wirtschaftskraft vernichtet und somit Staatseinnahmen reduziert, stupiden Hohn erntet.
Angesichts der beeindruckenden Wahl- und Umfrageergebnisse der SPD steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach 2013 regiert und ihre Steuerpläne umsetzt. Hoffentlich stellt sich dann nicht die Ernüchterung bei alle jenen ein, die heute jubeln. Denn, dass vermeintlich immer nur die anderen reich und deshalb betroffen sind, stimmt nicht. Abgesehen davon, dass die geplante Entlastung der Geringverdiener auf der Strecke bleibt, träfen die Pläne fast jeden: Wegfall des Ehegattensplittings, höhere Mehrwertsteuer und höhere Abgeltungssteuer für Kapitalerträge würden fast alle spüren. Der vage angekündigte Abbau steuerlicher Vergünstigungen dürfte noch böse Überraschungen bergen. Auch wird die kalte Progression nicht beseitigt, die dazu führt, dass bei Lohnerhöhungen die Belastung prozentual unfair ansteigt.
Vielleicht ist ja am Ende eine Steuererhöhung nicht zu vermeiden. Aber bitte nicht leichtfertig - und ohne alle anderen Möglichkeiten seriös zu prüfen.
Quelle: Westdeutsche Zeitung (ots)