WAZ: Der Fleischskandal und die Folgen:
Archivmeldung vom 07.11.2005
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.11.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs ist widerlich und ekelhaft. Nach drei Lebensmittelskandalen binnen weniger Wochen wühlen wir nun wieder im Abfall, um nachzuforschen, wie oder ob vergammeltes, verdorbenes, nicht für den Verzehr bestimmtes Fleisch auf den Teller des Verbrauchers gelangt ist.
Unerträglich ist die Vorstellung, dass mit
dem, was eigentlich Abfall war, noch Geld verdient wurde. Ohne
Rücksicht auf die Gesundheit der Menschen.
Doch viel unerträglicher
ist, dass es diesen Kriminellen leicht gemacht wird.
Was ist das für eine Zeit, in der wir ein Jahresgehalt für ein
Auto ausgeben, weil es Crash-Tests mit Bravour besteht, weil es eine
Handvoll Airbags und sonstige super Sicherheits-Ausstattung hat –
doch in der wir uns buchstäblich einen Dreck darum kümmern, wie
sicher unsere Nahrungsmittel sind? Denn das ist doch die Lehre aus
BSE, Nitrofen, Dioxin und anderen Vorfällen: Der eigentliche Skandal
ist, dass wir im Umgang mit Lebensmitteln dulden, dass Manipulationen
leicht und Verbraucher ahnungslos sind.
Es stinkt gewaltig in diesem System von Kontrollen, das Vertrauen
schaffen soll, jedoch vom Zufall lebt und auf die Selbstverpflichtung
der Unternehmen hofft. Die Lebensmittelüberwachung ist Ländersache,
was dazu geführt hat, dass in den Gemeinden und Kreisen chronisch
unterbesetzte, klamme Behörden einem international operierenden
Industriezweig gegenüberstehen.
Wer Sicherheit will, muss sich
landes- oder bundesweit handelnde staatliche Überwachungsbehörden
leisten. Wenn das Risiko, erwischt zu werden, so lächerlich gering
ist wie das Bußgeld, wird dem Missbrauch die Tür geöffnet.
Noch ein wirkungsvolles Instrument gibt es: das Recht des
Verbrauchers auf Information. Es mag ja stimmen, dass die Geiz-ist-
geil-Mentalität den Druck erhöht, möglichst billig zu produzieren.
Doch wer nun sagt, dass Schnäppchenjäger selbst schuld an der
ekeligen Resteverwertung sind, dann ist das eine Verhöhnung des
Verbrauchers. Denn er ist ahnungslos, machtlos.
Wie klein er ist, zeigt sich in diesen Tagen. Wenn sich
Ministerien aus Furcht vor Schadenersatzklagen weigern, Namen von
betroffenen Firmen und Produkten zu nennen, dann heißt das doch: Das
Recht des Verbrauchers auf unverdorbene Lebensmittel ist weniger
wert. Diese Vorstellung ist wie umetikettiertes Fleisch: widerlich.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung