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Südwest Presse: Kommentar zum Thema Bahn

Archivmeldung vom 15.04.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.04.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Was für eine Einigkeit! Kaum hat sich die SPD nach langem Streit auf einen Kompromiss bei der Bahn-Privatisierung geeinigt, ist die Zustimmung groß. Die meisten Sozialdemokraten sind froh, dass ihr Parteichef Kurt Beck in letzter Minute doch noch die Kurve bekommen und die widerstreitenden Flügel unter einen Hut gebracht hat.

Der Union fällt ein Stein vom Herzen. Hatte sie doch schon befürchtet, das ganze Projekt könnte scheitern und ihr Koalitionspartner SPD versuchen, ihr die Schuld in die Schuhe zu schieben. Da die Teilprivatisierung unpopulär ist, hätte das gelingen können. Zwei Drittel der Bundesbürger lehnen sie ab, wie die Gegner gern betonen. Was kein Beweis dafür ist, dass sie falsch ist. Sogar die FDP stimmt dem Kompromiss zu, nur 24,9 Prozent am Personen- und Gütertransport zu verkaufen. Zumindest als erster Schritt, dem dann noch weitere folgen könnten. Diesen Vorteil jedenfalls hat die Lösung: Alle Seiten können Erfahrungen sammeln mit der "Privatisierung light", wie jetzt schon gespöttelt wird. Damit sind die Befürworter ebenso in der Pflicht wie die Investoren: Sie können die Skeptiker in der Praxis überzeugen, dass ihre Einwände und Sorgen unbegründet sind. Da gibt es jede Menge. Die Bahn ist ein hoch emotionales Thema. Jeder hat seine Wünsche und Erfahrungen. Wobei die negativen ganz besonders im Gedächtnis bleiben. Wie wenig Fakten zählen, zeigt der Nahverkehr. Becks Überlegungen, ausgerechnet ihn von der Privatisierung auszunehmen, klangen für viele gut, machten aber keinen Sinn. Denn gerade da ist die Bahn nicht der einzige Anbieter. Im Gegenteil. Werden Strecken ausgeschrieben, muss sie sich im harten Wettbewerb bewähren - zum Vorteil für Kunden und Staat. Gerade im Nahverkehr ist es auch nicht die Bahn, die Strecken stilllegt. Es sind die Bundesländer, die das Zugangebot bestellen und damit festlegen, welche Verbindungen mit welchen Haltepunkten wie häufig angesteuert werden. Die Mittel dafür stammen vom Bund. Sie sind zwar immer knapp. Aber die Grundentscheidungen fallen dort, wo sie hingehören: bei der Politik und nicht bei der Bahn. Das muss auch so bleiben. Gewinn und die Ausschüttung an die Aktionäre stehen künftig an erster Stelle, lautet eines der größten Schreckgespenste der Kritiker. Dabei muss die Bahn erst einmal ihre Kunden überzeugen. Denn sie sorgen für den Umsatz, der die Voraussetzung für eine Dividende ist. Ist das Angebot zu schlecht, suchen sie sich Alternativen. Auto und Flugzeug bieten da viele Möglichkeiten. Die Lufthansa ist ein gutes Beispiel dafür, wie segensreich eine Privatisierung sein kann. Wäre die Fluggesellschaft heute noch unter dem Dach des Staates, würde sie sich kaum so gut im internationalen Wettbewerb schlagen. Das zeigt der Blick auf diverse Staatslinien in Europa sehr deutlich. Ein Allheilmittel ist die Privatisierung freilich nicht. Alles steht und fällt damit, was das Management und die Mitarbeiter aus den neuen Möglichkeiten machen. Gerade bei der Bahn heißt das: Um internationale Aktivitäten kommt ein Logistikkonzern ihrer Größe nicht herum. Aber an erster Stelle muss das Angebot in Deutschland stehen. Das gebietet schon der Mehrheitsaktionär. Das ist auch künftig der Staat - und damit alle Bürger. Sie zählen und nicht der Wille des Finanz- oder des Verkehrsministers. Die Entscheidung für die Privatisierung ist gefallen. Hoffentlich. Bei der SPD kann man sich gerade beim Thema Bahn nie so ganz sicher sein. Jetzt ist es an den Befürwortern zu beweisen, dass die Entscheidung richtig war. Ein Zurück zur reinen Staatsbahn wäre zwar noch möglich, aber kaum bezahlbar.

Quelle: Südwest Presse

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