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Westdeutsche Zeitung: Die große Sorglosigkeit in Zeiten der Internetkontrolle

Archivmeldung vom 02.07.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.07.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Noch gehen die Deutschen erstaunlich gelassen damit um, was da in Sachen Internetüberwachung täglich neu bekannt wird. Nur 30 Prozent gehen laut Meinungsforschungsinstitut YouGov davon aus, dass auch ihre Daten ausgespäht wurden. Die Mehrheit ist entweder sorglos oder glaubt, dass ihre Kommunikation wohl irrelevant sei. Doch mit jedem Tag, der mehr ans Licht bringt über internationale Spähpraktiken, vor denen die Bürger nicht mal vom eigenen Staat geschützt werden, wird die Skepsis zunehmen: Wie weit geht die Überwachung im Netz? Wer liest meine Mails mit? Wer schaut, welche Internetseiten ich besucht habe? Weil niemand das nachvollziehen kann, wird die Unsicherheit wachsen.

Nun dürften diejenigen, die gedankenlos Privatestes in die große Cloud schaufeln, eigentlich nicht überrascht sein. Dass das Netz nichts vergisst, davor wurde oft genug gewarnt. Alles, was im Internet schlummert, kann wieder hervorgekramt werden. Jede noch so versteckte Information ist nur eingefroren, kann jederzeit wieder aufgetaut werden.

Als in den 1980er Jahren eine Welle der Empörung gegen die Volkszählung losbrach, waren die Mittel der Datensammler noch vergleichsweise bescheiden. Dennoch erkämpften die Überwachungsgegner vor dem Verfassungsgericht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Jeder muss wissen können, was wo über ihn gespeichert ist. Angesichts der aktuellen Erkenntnisse erscheint der Glaube an dieses Grundrecht geradezu naiv.

Was besonders seltsam ist: Mit der Zunahme der technischen Möglichkeiten, Daten zusammenzuführen, hat nicht etwa das Misstrauen, sondern - im Gegenteil - die Sorglosigkeit zugenommen. Die große Maschine wird auch noch freiwillig mit persönlichsten Dingen gefüttert.

Früher waren Daten in Streubesitz: Wir wussten, dass der eine dies und der andere jenes über uns weiß. Damit ließ sich leben, wir konnten das Bild unseres Ich doch immer noch maßgeblich mitbestimmen. Seit der Digitalisierung können unsere Daten aus verschiedensten Quellen zusammengeführt werden. Und herausgerissen aus ihrem Kontext wieder irgendwo auftauchen. Warum eigentlich finden die Menschen das nicht mehr genauso gruselig wie die einstigen Volkszählungsgegner?

Quelle: Westdeutsche Zeitung (ots)

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