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Lausitzer Rundschau: Politik ohne Kompass

Archivmeldung vom 26.08.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.08.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Ein Gefühl macht sich breit in Europa und nicht nur dort. Es ist das Gefühl der Unsicherheit. Angesichts des weltweiten Finanz-Wahnsinns fragen sich selbst unverdächtige Zeitgenossen wie der frühere Thatcher-Berater Charles Moore und der Herausgeber der konservativen Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frank Schirrmacher, öffentlich: Läuft hier nicht grundlegend etwas schief? Ist die Vorstellung, dass das freie Spiel der Märkte unter dem Strich immer zu einem höheren Nutzen für die Allgemeinheit führt, nicht ein für allemal durch die Wirklichkeit widerlegt? Hat nicht am Ende gar die linke Gesellschaftskritik schon immer richtig gelegen, wenn sie - verkürzt - den Standpunkt vertritt, dass das kapitalistische System im weltweiten Maßstab nur den Reichen nutzt?

Natürlich ist die überwältigende Mehrheit des bürgerlichen Lagers weit davon entfernt, jene letzte provokative Frage mit einem uneingeschränkten Ja zu beantworten. Aber auch ihr ist nicht verborgen geblieben, dass das Ergebnis der real existierenden Globalisierung an vielen Stellen mit ihren Überzeugungen nicht in Einklang zu bringen ist. Dass Bürger für ihre Banken haften, dass Ratingagenturen über die Zukunft ganzer Völker entscheiden, ist nicht Teil des konservativen Wertekanons. In solchen Zeiten wäre Führung gefragt. Stattdessen schweigt der Bundespräsident erst über Monate, um sich dann mit einem ratlosen Debattenbeitrag zu Wort zu melden, der das Publikum eher peinlich berührt zurücklässt, anstatt ihm Halt zu geben. Und die bürgerliche Bundesregierung - da hat Altkanzler Helmut Kohl mit seiner Kritik recht - erweckt den Eindruck, Politik ohne Kompass zu betreiben. Da kippt ein moralisch zweifelhafter, aber charismatischer (Ex-)Verteidigungsminister aus einer Laune heraus die Wehrpflicht. Da wirft der irrlichternde Außenamtschef mit atemberaubender Beiläufigkeit die Westbindung über Bord. Und die Kanzlerin hat bis heute nicht vermitteln können oder wollen, dass ihr die Rettung Europas jeden Preis (oder auch nur ein paar unangenehme Schlagzeilen in der Boulevardpresse) wert wäre. Freilich: Auch von der laut US-Magazin "Forbes" mächtigsten Frau des Erdballs wird nicht erwartet, dass sie mit einem Fingerschnippen all die komplexen Probleme löst, in die die Welt sich hineinmanövriert hat. Bislang aber hat die von Rettungsversuch zu Rettungsversuch eilende Kanzlerin nicht ansatzweise zu erkennen gegeben, welchen Plan sie für dieses Land, für diesen Kontinent hat. Es könnte sehr bald sehr eng für Angela Merkel werden.

Quelle: Lausitzer Rundschau (ots)

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