Westfalenpost: Umbrüche aller Art Zur Cebit 2006 in Hannover
Archivmeldung vom 10.03.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.03.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs ist zu Beginn einer Leitmesse wie der Cebit immer schwierig, etwas Gültiges über kommende Trends zu sagen. Trends in der Computer-Industrie, der Telekommunikation und der Unterhaltungselektronik zeichnen sich oft erst im Verlauf einer so unübersichtlichen Schau wie der Cebit ab. Auch werden sie meist lautstark von denjenigen ausgerufen, die daran gut verdienen. Hier ist Vorsicht geboten.
Bei allen Erfolgen leidet die Branche bis heute unter einer
Glaubwürdigkeits- und Seriösitätskrise. Unter dem Zwang, das Rad
ständig neu erfinden zu müssen, werden von Jahr zu Jahr Revolutionen
und Umbrüche aller Art ausgerufen. Und von Jahr zu Jahr die Funktion
der Branche als Jobmotor beschworen. Dies wird jedoch auch in diesem
Jahr absehbar nicht der Fall sein.
Das Problem ist nicht die Leistung der Ingenieure, die ihr Soll
meist übererfüllen, sondern die Tauglichkeit der Produkte und
Anwendungen für den Massenmarkt. Und die Weigerung der Verbraucher,
für technische Spielereien mit zweifelhaftem Nutzwert viel von ihrem
ohnehin knappen Budget auszugeben.
UMTS steht seit der Versteigerung der Lizenzen im Jahr 2000 vor dem
Durchbruch. Auch die viel beschworene Breitband-Revolution beim
Internet-Zugang steckt noch in den Kinderschuhen. In den Wohnzimmern
der meisten Bundesbürger flimmern trotz des Erfolgs der
Flachbildschirme analoge Röhrenfernseher.
Dies alles soll die Innovationskraft der Branche nicht schmälern,
sondern nur die Relationen gerade rücken und zur Geduld mahnen. Auch
technische Revolutionen lassen sich nicht im Handstreich in
wirtschaftlichen Erfolg umsetzen. Trends bringen nicht aus dem Stand
die erhofften Milliarden-Umsätze.
Noch ist der Markt für Geschäfts- und Privatkunden getrennt, aber
nicht mehr lange. Internet-Telefonie, digitale Unterhaltung,
Flachbild-Fernseher, DVD-Rekorder, selbst das gute alte Handy werden
zunehmend, aber nicht in so großen Mengen wie erhofft, von privaten
Verbrauchern nachgefragt werden. Alles auf einmal - das geht nicht.
Wobei beim Handy als mobiler Alleskönner jetzt schon zu fragen ist,
mit welchen Funktionen es noch aufgerüstet werden soll.
Der Nutzer kann heute mit seinem Handy Radio hören, seiner
Lieblings-Musik lauschen, fotografieren und neuerdings auch fernsehen
- in lausiger Qualität und mit einem Übertragungs-Standard, der sich
noch als Irrweg entpuppen könnte. Und telefonieren. Bei guter
Verbindung auch aus entlegenen Orten und zu günstigen Tarifen
hoffentlich. Das ist das einzige, was alle Kunden verlangen - und bis
heute nicht bekommen.
Quelle: Pressemitteilung Westfalenpost