WAZ: Das Jogi-Olli-Balle-Geplauder
Archivmeldung vom 27.12.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs gibt Familien, in denen sich pünktlich zum Fest Sprachlosigkeit ausbreitet. Die Fußballfamilie jedoch wird nicht vom großen Schweigen angefallen. Im Gegenteil. Weihnachtszeit ist traditionell Plauderzeit. Zum Jahresende 2010 griffen unter anderem zum Wort: Bundestrainer Joachim Löw, Teammanager Oliver Bierhoff und Michael Ballack, der bei der Nationalmannschaft ebenfalls eine Rolle ausfüllt, es war nur zuletzt nicht mehr ganz klar, welche.
Michael Ballack selbst leidet bekanntlich an diesem akuten Mangel an Rollendefinition. Deshalb hat der Alt-Kapitän in seinem Päckchen mit den gesammelten Sprechblasen eine kleine Spitze untergebracht. Er hätte ja schon erlebt, wie bei einer geplanten Verabschiedung mit anderen Spielern umgegangen worden sei, so wisse er nicht, ob es ihm nicht ähnlich ergehen werde. Rumms. Der Bundestrainer dürfte das Päckchen aber entweder gar nicht von den Schleifen befreit oder die kleine Spitze ruckzuck in ein wenig Watte entsorgt haben. Löw nämlich hat bei seinem - etwas später terminierten - Weihnachtsgeplauder angekündigt, dass Ballack im Falle einer Rückkehr ins Team die bedeutende Binde wieder tragen soll.
Fügt man die Äußerungen des dritten Granden Bierhoff noch hinzu, ergibt sich eine seltsam asymmetrische Gesprächsskulptur. Ballack hat eine Spitze eingebracht. Löw ein bisschen Frieden. Und Bierhoff einerseits eine Reflexion darüber, dass Ballack es möglicherweise als Erleichterung empfinden könnte, die Last des Kapitänsamtes nicht mehr so ganz allein schultern zu müssen. Und andererseits: Einen Rüffel für Philipp Lahm, den Interimskapitän, der vor dem Halbfinale der WM verkündet hatte, er wolle die Binde mit seinem Arm verschweißen.
Hätten der Jogi, der Olli und der Balle geschwiegen, wäre der Fußballfamilie die seltsame Asymmetrie und damit Irritierendes erspart geblieben. Klar ist doch seit langem: Michael Ballack wird Stand der Dinge zweiter Weihnachtstag 2010 an Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira nicht vorbeikommen. Es sei denn, einer der beiden WM-Stars, die seine möglichen Positionen besetzen, schwächelt oder verletzt sich übel. Dann ist der 34-Jährige in Top-Form natürlich eine Option für den Bundestrainer. Allerdings: Sprachlosigkeit strahlt so viel Kälte aus. Da plaudert man sich doch lieber warm, da sorgt man doch lieber dafür, dass am Kaminfeuer des Fußballs der Gesprächsstoff nie ausgeht.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung