Leipziger Volkszeitung zu Allianz-Jobabbau
Archivmeldung vom 23.06.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.06.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittManager, die mit ihren Umstrukturierungsmaßnahmen und weltweiten Expansionsplänen viel zu spät dran sind. Hilflose Politiker wie Sachsens sozialdemokratischer Wirtschaftsminister Jurk und seine nordrhein-westfälische CDU-Kollegin Toben, die Gespräche mit den Konzernspitzen führen wollen, in Wahrheit jedoch keinen einzigen Arbeitsplatz retten können.
Und Arbeitnehmer, die glauben,
zu den Besserverdienenden in einer Anzug-und-Krawatte-Branche zu
zählen, plötzlich aber die bittere Pille Arbeitsplatzverlust in einer
globalisierten Welt schlucken müssen. Sinnlose Reflexe der Politik
nützen ihnen nichts mehr. Auch das bleibt Deutschland 2006: Trotz
Fußball-Euphorie und neuem Patriotismus dreht sich die Erde
unerbittlich weiter. Die Realität macht keine Pause. Rund zehntausend
Stellen baut der Allianz-Konzern trotz rekordverdächtiger
Milliardengewinne in seiner Versicherungssparte sowie bei der Tochter
Dresdner Bank ab. Drei Viertel davon in Deutschland.
281 von 1100 Stellen fallen in Leipzig weg. Das ist die Hälfte der
Arbeitsplätze, die Porsche in den kommenden Jahren an der Pleiße
schaffen will. Das ist bitter für 281 Familien und ein schwerer
Rückschlag für die Region. Die litt in den neunziger Jahren unter dem
politisch gesäten Irrglauben, Dienstleistungs- und Bankenmetropole
werden zu wollen. Dennoch: Es hätte schlimmer kommen können. Köln
verliert mehr als tausend Stellen, nur zehn von 21
Allianz-Verwaltungszentren überleben.
Für Betroffene ein schwacher Trost. Aber handelt die Allianz
unmoralisch? Oder mangelt es den Finanz-Managern an Patriotismus, wie
Jurk populistisch herausposaunt? Solche Vorwürfe gehen ins Leere.
Sind die amerikanischen AMD-Lenker etwa unpatriotisch, weil sie neue
Chipfabriken nicht in ihrer Heimat USA bauen, sondern in Dresden?
Arbeitslose in den USA könnten so denken. Für Deutsche, die bei AMD
Arbeit finden, klingt es absurd. Wirtschaftsminister sollten
vorsichtig sein, Stimmungen zu schüren, die als Bumerang zurückkommen
können. Schon immer gingen in der Industriegesellschaft Arbeitplätze
in nicht mehr zeitgemäßen Branchen und in überbürokratisierten oder
mies geführten Unternehmen verloren. Die unendliche Geschichte
spektakulärer Firmenpleiten zeugt davon. Meistens aber wurden
wegfallende durch neue Arbeitsplätze kompensiert. Seitdem aber manche
Spitzentechnologie aus Deutschland vertrieben wird und
Schwellenländer in der globalisierten Welt aufholen, ist das nicht
mehr ausreichend der Fall. Moderne Kommunikationsmittel führen zu
Rationalisierungseffekten ohne Service-Verlust.
Der vergleichsweise kostenintensive und schwerfällige
Allianz-Riese mit oft hohen Preisen ist deswegen gut beraten zu
reagieren, bevor weltweit 170 000 Arbeitsplätze bedroht sind. Während
ausländische Konkurrenz auf den deutschen Markt drängt, muss die
Allianz die nötigen Mittel verdienen, um sich durch weltweite
Expansion zukunftssicher zu machen. Hätten die Allianz-Manager früher
und marktorientiert reagiert, müssten sie jetzt nicht so brachial
vorgehen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung