Richtige Balance
Archivmeldung vom 20.08.2020
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Freigeschaltet durch André OttDie EU macht in ihrer Belarus-Politik gerade sehr vieles richtig. Schon die kurzfristige Einberufung eines Sondergipfels und damit die Einstufung der Situation im Nachbarland zur Chefsache war ein wichtiges Zeichen gewesen. Dem folgten am Mittwoch weitere: die Nichtanerkennung der grob gefälschten Präsidentschaftswahl, die Sanktionierung der Fälscher sowie der Verantwortlichen für die brutalen Übergriffe auf Demonstranten, die Betonung des Selbstbestimmungsrechts des belarussischen Volks bei gleichzeitiger klarer Unterstützung der friedlichen demokratischen Revolution, die sich gerade auf den Straßen von Minsk, Brest, Grodno und all den anderen Städten abspielt.
Die Staats- und Regierungschefs haben die richtige Balance gefunden zwischen einem glaubwürdigen Eintreten für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa, einer klaren Solidaritätsbekundung für die Protestbewegung und einem Signal der Nichteinmischung, das in Richtung Moskau zielt.
Es ist klar, dass der Einfluss der EU auf Belarus begrenzt ist. Wie der Machtkampf ausgehen wird, hängt weniger von Brüssel als vielmehr vom Verhalten der belarussischen Sicherheitskräfte und natürlich von Moskau ab. Von daher war es gut, dass das Telefon des russischen Präsidenten Wladimir Putin in den vorigen Tagen nicht still stand. Nicht nur sein belarussischer Amtskollege Alexander Lukaschenko, sondern auch Angela Merkel, Emmanuel Macron und EU-Ratspräsident Charles Michel hatten schon vor dem Gipfel frühzeitig das Gespräch gesucht.
Offensichtlich hat die EU auch aus den Maidan-Protesten 2013/14 gelernt - auch wenn Belarus nicht die Ukraine ist. Es ging in Minsk nie darum, das Land irgendwie aus dem russischen Einflussbereich zu lösen oder um eine Entscheidung über eine stärkere Westorientierung. Dies ist kein geopolitischer Konflikt, wie auch Michel noch einmal betont hat. Es geht vielmehr ganz schlicht um einen Herrscher, der sich mit Gewalt versucht an der Macht zu halten und alle demokratischen Rechte mit Füßen tritt. Sollte auch Putin verstehen, dass die Proteste nicht gegen ihn und Russland gerichtet sind, besteht vielleicht die Chance, dass er auf ein Eingreifen dieses Mal verzichtet.
Sicher ist dies allerdings noch lange nicht. Eines ist nämlich klar: Die Situation in Belarus steht Spitz auf Knopf. Einen Abgesang auf Lukaschenko zu schreiben, ist noch viel zu früh, selbst wenn die Situation zuletzt ein wenig entspannter wirkte. In dieser kritischen Situation hat sich die EU nun eindeutig positioniert.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Andreas Heitker