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Leipziger Volkszeitung zu Telekom-Skandal

Archivmeldung vom 03.06.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.06.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Unternehmen haben durchaus das Recht herauszufinden, wer Betriebsgeheimnisse und interne Informationen an Journalisten oder Konkurrenten verrät. Auch müssen Firmen nachforschen dürfen, wenn sie von Mitarbeitern bestohlen werden. Doch das ist nicht zu allerletzt, sondern zu allererst eine Frage der eingesetzten Mittel, des rechtlich Erlaubten - und dann eine der Moral und der Unternehmenskultur.

So betrachtet ist das unakzeptable Ausspionieren von Mitarbeitern durch den Lebensmittelkonzern Lidl bis hin zum stillen Örtchen eine Lappalie im Vergleich zum Spitzel-Skandal der Telekom. Und dass sich Top-Manager des Konzerns dabei wohl auch der Hilfe einschlägig vorbelasteter Überwachungsexperten der abgewickelten DDR-Firma Horch & Guck bedienten, macht die Sache strafrechtlich nicht schlimmer, gibt ihr aber eine zusätzlich üble Geruchsnote: Alte Genossen und Spitzenkapitalisten vereint im Untergraben von Pressefreiheit und Bürgerrechten. Armes, überwachtes Deutschland. Zur fundamentalen Kritik an Marktwirtschaft und Demokratie taugen die unappetitlichen Schnüffeleien dennoch nicht, genauso wenig wie andere Manager-Fehltritte aus jüngster Zeit. Denn in anderen, nicht-demokratischen Systemen wären die Skandale erst gar nicht aufgeflogen. Nach den Taten einzelner nun alle Unternehmer und Manager in öffentliche Sippenhaft zu nehmen, ist unangemessen und ungerechtfertigt. Gefragt sind jetzt wieder einmal die marktwirtschaftlichen und demokratischen Selbstheilungskräfte. Irrwege müssen korrigiert werden. Nach restloser Aufklärung müssen möglicherweise Strafgerichte Urteile fällen. Wo genügend kriminelle Energie vorhanden ist, wird sich auch in Zukunft Datenmissbrauch nicht verhindern lassen. Wie aber kann das Ausspionierungs-Risiko für die Bürger verringert werden? Zunächst muss der Staat in Zukunft daran gehindert werden, immer größere Mengen von persönlichen Daten immer länger zu speichern. Die Vorratsdatensspeicherung, wie sie die große Koalition gesetzlich verankert hat, ist mit dem notwendig harten und in Grenzbereiche des Legalen vorstoßenden Kampf gegen Terroristen nicht zu rechtfertigen und schränkt die Freiheitsrechte unschuldiger Bürger gefährlich ein. Wenn Innenminister Schäuble die Verantwortung für das Gesetz auf EU-Recht abschiebt, muss sich die Bundesregierung eben in Straßburg und Brüssel für eine Korrektur einsetzen, falls sie den Bürgern überhaupt Freiheit zurückgeben will. Ansonsten gilt: Gelegenheit macht Diebe - auch beim Datenmissbrauch. Während Politiker mit weitgehend sinnfreien und teilboykottierten Schön-das-wir-mal-drüber-gesprochen-haben-Gipfeln, Rufen nach Strafrechtsverschärfungen oder ulkigen Selbstverpflichtungserklärungen der Unternehmen, sich an Gesetze zu halten, sowie nach technischer Aufrüstung das Hamsterrad der Skandalbewältigung in Fahrt bringen, geraten die Chefs der Stasikom in immer größere Not. Nach Aktien-Absturz, Kundenflucht, einbrechenden Gewinnmargen, Service-Desastern und Auslagerungs- und Entlassungswellen ist nun das Kundenvertrauen ganz im Keller. Konzern-Chef Obermann muss eiligst die große Rettungsaktion einleiten. Für die Telekom - und sich selbst.

Quelle: Leipziger Volkszeitung

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