Westdeutsche Zeitung: Reform ist für die Fifa ein Fremdwort
Archivmeldung vom 02.12.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Internationale Olympische Komitee reagierte unter dem damaligen spanischen Präsidenten Juan Antonio Samaranch erst, als der Bestechungsskandal um die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2002 an Salt Lake City nicht mehr zu vertuschen war. Die aktuelle Situation des Fußball-Weltverbandes Fifa ist vergleichbar. Zwei Exekutivmitglieder sind suspendiert, aber die dringend notwendige strukturelle Reform des Gremiums steht aus.
Fifa-Präsident Joseph Blatter aus der Schweiz geht es ohnehin nur darum, im nächsten Jahr nochmals im Amt bestätigt zu werden. Ohne tiefgreifende personelle Erneuerung der Exekutive kann Blatter von einem positiven Votum ausgehen. Bemerkenswert an den gegenwärtigen Versuchen, das Problem auszusitzen, bleibt die Tatsache, dass bei den suspendierten Mitgliedern nach anderen Kriterien entschieden wurde als bei drei weiteren, die ebenfalls unter Verdacht standen, aber verschont blieben. Darunter der ebenso mächtige wie umstrittene Brasilianer Ricardo Texeira. Blatter setzt smart auf Zeit und erklärte das Problem für erledigt. In der Fifa entscheiden heute 22 alte Männer über die zwei Milliardengeschäfte 2018 und 2022. Neue Märkte, neue Potenziale, neues Image sind die alten Ziele. Und deshalb gelten Russland für 2018 und Katar für 2022 als Favoriten, nicht England und die USA. Egal, wie die Wahl heute ausgeht, die Glaubwürdigkeit des Weltverbandes Fifa ist längst nachhaltig erschüttert. "Aufräumen" fordert die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International nachvollziehbar. Es geht längst nicht mehr nur um Köpfe, sondern um die Strukturen einer Organisation, die im kleinen Kreis immer noch über das große Geld entscheiden kann. Es gibt keine Kontrollgremien, es gibt nur die Ankündigung einer Anwältin, die Vergabe anzufechten, wenn sich herausstellen sollte, dass ihr Mandant Reynald Temarii aus Tahiti zu Unrecht suspendiert worden ist. Wladimir Putin verurteilte als einziger "Schmutzkampagnen gegen die Fifa" und fährt nicht nach Zürich. Aus Achtung vor der Unabhängigkeit des Weltverbandes, wie der russische Ministerpräsident fast unterwürfig argumentiert. Dieser Schachzug soll Russland die WM 2018 bringen. Nichts anderes will Putin.
Quelle: Westdeutsche Zeitung