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Mittelbayerische Zeitung: Gaddafis Komplizen

Archivmeldung vom 24.02.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.02.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die Opfer des Volksaufstands in Libyen klagen den Westen an: Das Blut der getöteten Demonstranten klebt nicht nur an den Händen Gaddafis. Auch die ehemaligen Kolonialherren aus Europa und die ölsüchtigen Amerikaner haben sich mit ihrer schizophrenen Haltung gegenüber dem Folter-Regime schmutzig gemacht. Denn sie waren es, die den Erzterroristen nicht nur wieder salonfähig machten, sondern seinen Unrechtsstaat auch noch mit Milliardensummen und Waffen unterstützten.

Eigentlich müsste ein Verbrecher wie Gaddafi seit langem mit internationalem Haftbefehl verfolgt werden, um ihn vor ein Weltstrafgericht zu stellen. Spätestens seit den von Libyen gesteuerten Anschlägen von Lockerbie und auf die Berliner Diskothek La Belle in den 80er Jahren hat sich der Diktator zum internationalen Paria gemacht. Doch anstatt ihn konsequent zu isolieren, gestattete man ihm, sich 2003 mit einer Ablasszahlung an die Attentatsopfer freizukaufen. Seither hofieren westliche Politiker Gaddafi, damit internationale Konzerne lukrative Geschäfte mit dem erdölreichen Land einfädeln können. Und schlimmer noch: Sie zahlen dem Schurken sogar noch eine Art Kopfprämie, damit er den Zustrom von Flüchtlingen aus dem schwarzen Kontinent nach Europa unterbindet. Die Rolle der EU-Länder bei der Entwicklung in Libyen ist beschämend und ein Eingeständnis des eigenen Unvermögens. Erst nachdem Gaddafi zum Krieg gegen sein Volk aufrief, konnten sich einige europäische Staats- und Regierungschefs zu scharfen Worten gegenüber dem Despoten durchringen. Doch vor allem geht es ihnen darum, dass die Araber in Afrika eingesperrt bleiben. Bloß kein zweiter Exodus nach Europa wie aus Tunesien, lautet die Kernbotschaft. Angesichts der Verbrechen Gaddafis ist diese Haltung erbärmlich. Leider verbindet diese europäische Mauer-Mentalität auch noch Politiker, die ansonsten getrennte Wege gehen: Bundeskanzlerin Angela Merkel unterscheidet sich in der Flüchtlingsfrage nicht von der Position des italienischen Operetten-Präsidenten Silvio Berlusconi, Gaddafis bestem Busenfreund. Dass der Sohn des Revolutionsführers während seines langjährigen Aufenthalts in München Schutz vor Strafverfolgung genoss, obwohl ihm Waffenschmuggel und andere gravierende Delikte vorgeworfen werden, mag dabei wie eine Petitesse wirken. Aber dies zeigt, wie weit der Arm von Gaddafis Clan reichen konnte, weil ihm niemand auf die Finger klopfte. Zu lange machte sich die EU zum Komplizen der nordafrikanischen Despoten. Die Europäer richteten ihr Handeln ausschließlich darauf aus, den Status quo mit Hilfe der Gaddafis, Mubaraks & Co zu bewahren - um einer vermeintlichen Stabilität willen. Nachdem nun ein Potentat nach dem anderen vom Thron gestoßen wird, bricht diese eindimensionale Außenpolitik wie ein Kartenhaus zusammen. Das erklärt auch, warum die EU seit Beginn der arabischen Revolution in Tunesien den Ereignissen in Nordafrika immer um viele Schritte hinterherhinkt. Und es macht deutlich, wie sehr Europa eine gemeinsame Außenpolitik bräuchte. Davon sind die EU-Staaten aber noch Lichtjahre entfernt, weil nationale Egoismen und imperialistische Phantasien fröhliche Urstände feiern. Das einzig Verbindende in der Afrika-Frage ist die Absicht, Europa zu einer Festung gegen Migranten auszubauen. Damit verspielt der alte Kontinent seinen letzten Rest an Glaubwürdigkeit in der arabischen Welt. Die schönen Angebote, ein bisschen Nachhilfe in Sachen Demokratie zu geben, wirken wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung

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