Börsen-Zeitung: Stimmungsgetrieben
Archivmeldung vom 23.05.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt"Der Ölpreis steigt, weil er steigt, weil er steigt ..." Die Commerzbank beschreibt in ihrem aktuellen Marktkommentar deutlich die Situation an den Rohölmärkten. Die Notierung klettert immer weiter nach oben, aber wirklich fundiert begründen kann dies kaum jemand. Die Hausse ist vor allem stimmungsgetrieben.
Sicherlich gibt es Faktoren, die eine solche Preisexplosion rechtfertigen können: Fundamentales wie Unruhen in Nigeria, die Weigerung der Opec, die Förderquote zu erhöhen, oder die Erwartung steigender chinesischer Importe. Auch marktimmanente Gründe können angeführt werden, wie etwa charttechnische Marken - die 130 Dollar waren eine solche -, der schwache Dollar oder die Sehnsucht der Investoren nach sicheren Märkten infolge der Kreditkrise. Aber reicht dies wirklich als Begründung für ein Plus von mehr als 40 Dollar in weniger als einem halben Jahr?
Denn genauso gibt es gute Gründe, die gegen einen solch starken Anstieg sprechen. So sind zwar die Lagerbestände in den USA gefallen, sie befinden sich aber immer noch auf sehr hohem Niveau. Auch gab der Irak neue Berechnungen zu seinen Ölreserven bekannt, die das Land in der Riege der größten Ölförderländer sehr weit nach oben katapultieren würden.
So ist die Gemengelage am Ölmarkt am ehesten als undurchsichtig zu bezeichnen. Eines ist aber klar: Die Vehemenz des Anstiegs ist kaum zu erklären. Dies lässt zwei Schlüsse zu: Entweder wollen Investoren die hohen Ölpreise einfach sehen, oder sie haben Angst, dass der Preis weiter steigt und sie die Möglichkeit zum Einstieg verpassen. Und Letzteres gilt für alle Käufer am Markt, egal ob sie physisch Öl brauchen oder ob sie nur auf Preissteigerungen spekulieren. Preisstützende Nachrichten werden begierig aufgesogen, Meldungen, die für das Gegenteil sprechen, eher ignoriert. Investmentbanken heizen der Hausse zusätzlich ein. So haben bedeutende Analystenteams in den vergangenen Tagen ihre Preisprognosen deutlich nach oben korrigiert. Vor allem Goldman sorgte dabei mit 200 Dollar je Barrel für - berechtigtes - Aufsehen. Und das bestätigt natürlich die Bullen. Zwar kommt der Begriff Blase wieder in Mode, die Zahl der Kritiker bleibt aber vorerst gering.
Fürs Erste ist die Stimmung bullish. Aber Stimmungen können bekanntlich auch sehr schnell ins Gegenteil umschlagen.
Quelle: Börsen-Zeitung (von Frank Bremser)