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Lausitzer Rundschau: Brot und Spiele Deutschland im Wohlfühlrausch und der Wahlkampf

Archivmeldung vom 25.05.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.05.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Natürlich gibt es die Abgehängten, sogar millionenfach. Natürlich können SPD, Grüne und Linke gute Gründe nennen, um faire Arbeit und eine gerechtere Reichtumsverteilung zu fordern. Oder zu warnen, dass für die Zukunft zu wenig vorgesorgt wird, in der Bildung etwa oder in der Familienpolitik. Die Grundmelodie des Landes aber klingt derzeit ganz anders, klingt so wohlig und satt-zufrieden wie Marius Müller-Westernhagens "Es geht mir gut". Es geht uns gut. Das sagen die Zahlen.

Die Stimmung in der Wirtschaft hat sich noch einmal aufgehellt, obwohl die Lage in Rest-Europa so schwierig ist. Die Arbeitslosigkeit bleibt niedrig, bei der Jugendarbeitslosigkeit wird sogar ein europaweiter Positivrekord vermeldet. Die Tariflöhne sind gestiegen, auch der Binnenkonsum zieht an. Und nun sinken sogar die Ölpreise, das für die autobesessenen Deutschen vielleicht wichtigste Krisenbarometer. Es geht uns gut. Das sagt die Welt. Sogar François Hollande erklärt bei seiner SPD-Geburtstagsrede in Leipzig die deutschen Reformen für vorbildlich und erkennt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Nachbarlandes neidlos an. Die französischen Zeitungen fragen bereits, ob und wie er diese Erkenntnis endlich bei sich umsetzt. Die britische Presse sucht nach unserem Erfolgsrezept und vergisst für einen Moment ihre "Sauerkraut"-Stereotypen. Selbst Barack Obama bewundert unser duales Ausbildungssystem. Bei einer internationalen Umfrage unter 26 000 Bürgern aus 25 Staaten wird Deutschland das beliebteste Land der Welt. Vor den in ihrer Geschichte nie kriegerischen Kanadiern, vor den Briten, die die Demokratie seit Jahrhunderten haben, vor Frankreich, dem Land, in dem man zu leben weiß, vor Brasilien und den USA. Wir beliebt? Wir reiben uns die Augen. Und dann ist da unser Fußball. Die Wolfsburger Frauen sind schon Champions-League-Sieger. Bayern oder Dortmund werden es an diesem Wochenende in London beim rein deutschen Männer-Finale werden. Und zwar nicht mit Brechstangen-Fußball. Effizienz und Eleganz sind kein deutscher Gegensatz mehr, auch nicht im Sport. Apropos Wolfsburg. Geht es irgendeiner Autofirma weltweit besser als VW? Ja, Audi, eine VW-Tochter. Und vielleicht noch BMW. Auch darauf ist ganz Deutschland stolz. Solange wir Erfolg haben, können wir Wir-Gefühl ganz gut. Das ist die Grundschwingung vor dem einsetzenden Wahlkampf, und der richtige Sommer kommt ja noch. Sicher, schon morgen kann mit Problemen irgendeiner großen Bank in Spanien oder Italien oder mit einer Regierungskrise in einem Euro-Schuldenland die gemeinsame Währung wieder auf die schiefe Bahn und alles ins Rutschen geraten. Und die positiven Zahlen sind nur Statistik, sie nehmen vielen Menschen nicht ihre aktuellen Sorgen, geschweige denn die um die Zukunft. Erst recht ist der Fußball ein flüchtiges Vergnügen. Nur wird es für die Gegner von Bundeskanzlerin Angela Merkel verdammt schwer werden, mit Kassandra-Rufen gegen eine so positive Stimmung anzukommen. Zumal Merkel unerbittlich fröhlich ist und dabei stets konzentriert. Brot und Spiele, beides wird den Deutschen derzeit geboten, und zwar reichlich. Und mehr will ein Volk nicht.

Quelle: Lausitzer Rundschau (ots)

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