Westdeutsche Zeitung: Deutscher auf Airbus-Schleudersitz
Archivmeldung vom 17.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Personal-Roulette um die künftige Führungsstruktur bei Europas Luftfahrtkonzern EADS sind die Kugeln gefallen. Wie in der Politik üblich, gab es nur Gewinner: Der Franzose Gallois (63) bleibt EADS-Chef. Der bisher gleichberechtigte Deutsche Enders (48) wird unter ihm Airbus-Chef. Und über beiden thront Daimler-Chrysler-Manager Grube (55) als Oberaufseher und schaut ihnen auf die Finger.
Damit ist es Bundeskanzlerin Merkel und dem neuen französischen
Präsidenten Sarkozy gelungen nach sieben Jahren voller Konflikten die
deutsch-französische Doppelspitze abzuschaffen. Dabei hat sie Sarkozy
mit zwei Führungsposten für Deutsche sogar etwas ausgetrickst. Aber
in fünf Jahren soll es anders herum laufen und die Nationalitäten auf
den Positionen wechseln.
EADS, bislang ein zu politisches Gebilde, wird damit ein Stück mehr
zu einem normalen Unternehmen. Allerdings nur ein kleines Stück, denn
nach wie vor hängt Europas Vorzeigekonzern am Gängelband der Politik
in Berlin und Paris. Die Airbus-Mitarbeiter bekommen den fünften
neuen Chef in zwei Jahren diesmal einen früheren deutschen Major der
Fallschirmspringer. Enders passt da gut hin, denn der Chefsessel des
Flugzeugbauers gilt angesichts der Krisen als Schleudersitz. In den
letzten zwölf Monaten sind zwei seiner Vorgänger gefeuert worden
wegen Pannen beim Großraumjet A380 und explodierender Kosten für den
verspäteten A350.
Um den Airbus-Chefposten, der dem des EADS-Chefs in der Bedeutung
fast ebenbürtig ist, ist Enders nicht zu beneiden. Er muss das
Sanierungsprogramm Power 8 durchführen, ein halbes Dutzend Fabriken
schließen und 10x0f000 Flugzeugbauer auf die Straße setzen. Schafft
das der als hemdsärmelig geltende Manager, so winkt ihm der
EADS-Chefposten als Nachfolger von Gallois.
Und ein weiteres Problem - eine eigentlich notwendige
Kapitalerhöhung - wurde gestern zwischen Merkel und Sarkozy
ausgeklammert, um die neue deutsch-französische Freundschaft nicht
gleich wieder zu gefährden. Auch die industriellen Aktionäre halten
eine Kapitalspritze derzeit nicht für erforderlich, weil die
Auftragsbücher bis zum Rand voll sind. Sarkozy würde sie aber gerne
durchführen. Dann läge Frankreich wieder vorn und die Pattsituation
hätte ein Ende.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung