Rheinische Post: Balkan-Dilemma
Archivmeldung vom 06.05.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.05.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAllen Sorgen über die teils chaotischen, teils korrupten Verhältnisse in Rumänien und Bulgarien zum Trotz zeigt sich: Die Entwicklung zu einem EU-Beitritt der beiden Balkanstaaten schon 2007 ist wohl politisch unumkehrbar. Gerade besonders schwerwiegende Entscheidungen entwickeln eine Eigendynamik.
Die ist am Ende meist
mächtiger als der Einwand, dass die einst beschlossenen
Kriterien-Kataloge faktisch gar nicht erfüllt werden.
Die Bundestagsabgeordneten, die den Beitritt noch ratifizieren
müssen, stecken nun in einem Dilemma. Den von manchen geforderten
Aufschub bis 2008 als Nachbesserungsfrist für Rumänien und Bulgarien
kann der Bundestag nicht beschließen, er kann zu den Verträgen nur Ja
oder Nein sagen. Doch ein Nein wäre kurz vor dem Beginn der deutschen
EU-Präsidentschaft untragbar. Wenn der Bundestag die Ratifizierung
ablehnte, bräuchte Angela Merkel ihre EU-Präsidentschaft gar nicht
erst anzutreten.
Aus dieser Erfahrung können die Parlamentarier lernen, sich in
Zukunft (etwa bei der Frage des EU-Beitritts der Türkei) nicht mehr
so leicht einzulassen auf angeblich ergebnisoffene Prozesse mit der
Zusage, am Ende werde nach objektiven Kriterien entschieden. Wie das
dann läuft, erleben sie gerade.
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Post