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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Bundespräsidenten

Archivmeldung vom 14.12.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Bundespräsident Christian Wulff hat seit gestern mehr als ein Problem. Als Ministerpräsident hat er den niedersächsischen Landtag im vergangenen Jahr nicht korrekt informiert, womöglich raffiniert getäuscht. Die Grünen hatten per Anfrage wissen wollen, ob Wulff geschäftliche Beziehungen zu einem Herrn im Ruhestand unterhalte, der drei Mal auf eigene Kosten Wirtschaftsdelegationen des Landes im Ausland begleitet hatte. Wulffs Antwort lautete nein, obwohl er bei dessen Frau mit 500 000 Euro in der Kreide stand. Die hochnotpeinliche Rückzugsposition des Bundespräsidialamtes lautete gestern spitzfindig, Wulff hab keine falschen Angaben gemacht. Juristisch ist das korrekt. Allerdings: Jeder niedersächsische Landesbeamte hätte sich in der gleichen Situation sich ein Verfahren wegen Korruption eingehandelt.

Mehr noch: Der Volksmund lässt sich von juristischen Wortwendungen nicht beirren und nennt das Ganze mogeln oder rausreden, wenn nicht so gar lügen und betrügen. Inzwischen ist Wulff Bundespräsident und die Hannoveraner Frage, nämlich nach Täuschung des Parlaments, ist nicht einmal die entscheidende.

In Berlin geht es seit gestern um die Integrität und Glaubwürdigkeit des deutschen Staatsoberhauptes. Wer als Politiker in einem herausragenden Amt nicht genug Fingerspitzengefühl für die Trennung von Amt und Privat beweist, wirft Zweifel an seiner Eignung auf. Das gilt mitnichten für Landesväter, aber ganz besonders für Bundespräsidenten, die nicht nur eine hohe moralische Instanz sein sollen, sondern auch sein müssen.

Trotz allem: Wulff muss nicht zurücktreten. Das wäre viel zu einfach. Er muss zu seinem Fehler, nicht dem ersten dieser Art, stehen und zumindest bis zur nächsten Wahl seine Arbeit machen. Alle weiteren Argumente, die für sein Verbleiben im Amt sprechen, sind schwache Verweise auf einzelne Vorgänger.

Auch Johannes Rau durfte Bundespräsident bleiben, obwohl er sich zu seiner Zeit als Ministerpräsidenten einen Dienstjet auf Kosten des West-LB leistete. Selbst Horst Köhler sollte nach Ansicht aller Beteiligten im Amt bleiben, obwohl er zusehends und stetig Nerven und Übersicht verlor. Der selbst gewählte Abgang war der letzte Beleg für sein einsames Scheitern, aber auch für die Geduld der Deutschen mit ihrem ersten Mann im Staate.

Schließlich sind auch schon andere hohe Repräsentanten dieser Republik durch Ungeschick, Unfähigkeit oder falsche Freunde aufgefallen und trotzdem im Amt geblieben. Wulff wird es jetzt noch schwerer haben, etwa den Zwist mit dem hartleibigen und ambitionierten Bundestagspräsidenten Norbert Lammert zu beenden. Vor allem muss er versuchen, endlich seinen eigenen präsidialen Stil zu finden. Der ist nach gut eineinhalb Jahren im Schloß Bellevue immer noch nicht zu erkennen.

Quelle: Westfalen-Blatt (ots)

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