Börsen-Zeitung: Wiederauferstanden
Archivmeldung vom 26.06.2019
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Freigeschaltet durch André OttVielleicht die größte Überraschung des zweiten Quartals an den Märkten ist die Entwicklung des Goldpreises. Nachdem das Edelmetall lange Zeit langweilig vor sich hingedümpelt hatte, ist es urplötzlich in einen spektakulären Höhenflug übergegangen. Am Dienstag erreichte es bei 1439 Dollar den höchsten Stand seit sechs Jahren, womit es in rund vier Wochen um rund 220 Dollar beziehungsweise 12,5 Prozent zugelegt hat.
Die Wiederauferstehung der Krisenwährung hat vielfältige Ursachen. Getrieben wird sie nicht zuletzt durch die Spannungen zwischen den USA und Iran beziehungsweise das gestiegene Risiko eines dritten Golfkriegs. Beide Seiten betonen, einen Krieg unbedingt vermeiden zu wollen. Der Drohnenabschuss hat aber deutlich vor Augen geführt, dass die Lage außer Kontrolle geraten könnte. Und eine Entspannung scheint derzeit nicht in Sicht. Beide Seiten fahren nach wie vor einen harten Konfrontationskurs, was den Goldpreis noch eine Zeit lang stützen könnte.
Das Edelmetall wird außerdem von dem Kursschwenk der US-Notenbank getrieben. Sie hatte Bereitschaft signalisiert, ihren Leitzins zu senken; einen ersten Schritt erwarten die Marktteilnehmer bereits im Juli. Und auch die Europäische Zentralbank hat geldpolitische Lockerungsmaßnahmen avisiert. Das hat neben der brisanten Lage am Golf die Anleger in die Staatsanleihen getrieben und damit die Renditen entlang der gesamten Zinskurve gedrückt. Niedrigere Zinsen bedeuten für keine Zinsen abwerfende Goldinvestments niedrigere Opportunitätskosten. Anders ausgedrückt: Gold gewinnt an Attraktivität.
Dritter im Bunde der Goldpreistreiber ist der niedrigere Dollar. Er ist durch den neuen Fed-Kurs unter Druck geraten, während gleichzeitig Schwellenländeranlagen von der Aussicht auf niedrigere US-Zinsen gestützt werden. Dadurch wird das Edelmetall für Anleger großer Nachfrageländer wie Indien währungsseitig erschwinglicher.
Hinzu kommen die bei solchen starken Kursaufschwüngen üblichen selbstverstärkenden Prozesse. Immer mehr spekulative Anleger wollen auf den fahrenden Zug aufspringen. Laut US-Derivateaufsicht sind die Netto-Long-Positionen am Terminmarkt vier Wochen in Folge auf rund 150000 Kontrakte per 18. Juni gestiegen. Es wäre daher wenig verwunderlich, wenn es in nächster Zeit zu einer kurzfristigen Korrektur käme. Die den Goldpreis treibenden Faktoren scheinen aber nachhaltigerer Natur zu sein, so dass Korrekturbewegungen bis auf weiteres nur vorübergehender Natur sein dürften.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Christopher Kalbhenn