Aachener Nachrichten: Kommentar zu Schäubles Rückzieher beim Waffenrecht
Archivmeldung vom 04.09.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.09.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWar was? In neuer deutscher Bestzeit hat Wolfgang Schäuble seinen Versuchsballon höchstpersönlich vom Himmel geholt - peng! Den bizarren Versuch, das Waffenrecht wieder zu lockern, könnte man getrost als unfreiwillige Kabarettnummer abbuchen - wenn denn die Sache nicht so bitterernst wäre.
Ausgerechnet Sheriff Schäuble, der sich in seiner
Law-and-Order-Haltung nur ungern übertreffen lässt, tritt eine völlig
überflüssige Diskussion los, um zwei Tage darauf eiligst
zurückzurudern.
Schon die Begründung war einigermaßen grotesk. Punkt eins: "Nicht
nachweisbar" sei der Sicherheitsgewinn durch die Heraufsetzung der
Altersgrenze, heißt es. Da möchte man schon gerne wissen, was man im
Hause Schäuble unter einem solchen Nachweis versteht und wie dieser
denn zu erbringen wäre.
Überdies wollte Schäuble - Punkt zwei - einer anstehenden
europaweiten Angleichung des Waffenrechts vorgreifen. Doch wozu diese
Eile? Und warum einer EU-Regelung faktisch zustimmen, die geltendes
deutsches Recht verwässert?
Nein, das eine wie das andere sind ausgemachter Quatsch. Niemand
vermag schlüssig zu begründen, warum ein junger Mensch zwischen 18
und 21, der in seiner Freizeit gerne ballert, unbedingt großkalibrige
Waffen mit nach Hause nehmen soll.
Dabei gibt es bei dem Thema durchaus gesetzgeberischen
Handlungsbedarf, nur anders, als Schäuble und die Waffenlobby meinen.
Schätzungsweise 20 Millionen Schießeisen aller Art horten die
Deutschen in Schränken und Schubladen - illegal. Wer hierzulande
unbedingt an Schusswaffen kommen will, findet meist auch einen Weg,
und der führt nicht unbedingt über den Waffenschein.
Für die rund zehn Millionen registrierten Pistolen, Revolver und
Gewehre gibt es immer noch keine zentrale Datei. Ein nicht
nachvollziehbares Versäumnis, wie auch Polizeipraktiker immer wieder
bemängeln. Und, nebenbei, auch ein schönes Thema für eine europäische
Harmonisierung. Im EU-Parlament liegt ein Gesetzentwurf, der eben
solch ein Zentralregister vorsieht.
Was bleibt von der Aufregung, sind wachsende Zweifel an der Person
des Sicherheitsministers. Erst seine verwegene Idee,
Terrorverdächtige notfalls zu töten, dann das starrsinnige Festhalten
an der Computer-Schnüffelei, jetzt der Hüftschuss beim Waffenrecht:
Es scheint, als sei dem kühlen Analytiker Schäuble der Sinn für das
gesellschaftlich Sinnvolle und politisch Machbare irgendwie abhanden
gekommen. So läuft einer der klügsten Köpfe der Union Gefahr, sich
selbst zu demontieren. Schade.
Quelle: Pressemitteilung Aachener Nachrichten