Westdeutsche Zeitung: Faruk Sen
Archivmeldung vom 16.07.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMan mag es eine "elegante Lösung" nennen, wie das Land den Streit um den Direktor des Zentrums für Türkeistudien in Essen beendet hat. Dieser Art von "Eleganz" allerdings fehlt jede Glaubwürdigkeit.
Wollte man zunächst den vielfach ausgezeichneten und noch unlängst beim 60. Geburtstag hoch gelobten Türkeiforscher wie einen Hund vom Hof jagen, drechselt man nun aus Sätzen von selten erlebter Verlogenheit eine Brücke, die zum gleichen Ziele führt: Faruk Sen ist weg. Der umstrittene Judenvergleich war bei all dem nur vorgeschoben. Die
Liste der unterschwelligen Vorwürfe dagegen ist lang: Sen sei zu
medienverliebt, sein Abrechnungsgebahren sei nicht immer mit den
Grundsätzen sauberer Haushaltsführung im Einklang gewesen, wird
gestreut und die Wissenschaftlichkeit der Institutsarbeit überhaupt
in Frage gestellt. Mit einem Satz: Sen habe "Politik gemacht".
Das hat Sen gewiss auch getan. Über Jahre. Zum Verhängnis aber wurde
ihm dabei nicht, dass er "Politik gemacht" hatte, sondern dass er
nicht die Politik seiner politischen Herren machte. Sen kritisierte
den Integrationsgipfel der Bundesregierung als "Show" und legte sich
mit der Integrationsbeauftragten Böhmer an. Das war schlicht die
falsche Politik. Das Zentrum für Türkeistudien ist kein
wissenschaftliches Institut mit all der Freiheit, die Wissenschaft
hierzulande garantiert ist, sondern eine von Parteien kontrollierte
Stiftung. Und die erwarten, dass ihre Politik unterstützt wird. Das
tat Sen nicht mehr - zumindest nicht ausreichend. Und dabei wissen
die Verantwortlichen auch: Einen besseren Integrations-Türken als
Faruk Sen werden sie sich kaum malen können.
Noch ein Wort zum vorgeschobenen Grund des Judenvergleichs: Der
eigentliche Skandal ist nicht Sens verunglückte Parallele, sondern
die Schamlosigkeit, mit der Parteifunktionäre glaubten, das
Jahrhundertverbrechen des Holocaust für ihre politischen Ziele
instrumentalisieren zu können. Den Unfug vom "Holocaust-Relativierer"
und "Volksverhetzer" Sen haben sie ja selbst nicht geglaubt. Ihre zur
Schau gestellte Empörung war nichts als Theater.
Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Eberhard Fehre)