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Berliner Morgenpost: Ehrlichkeit führt leider selten zu Wahlerfolgen

Archivmeldung vom 29.03.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.03.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der große Macht-Theoretiker Niccolo Machiavelli unterscheidet zwei Typen der Elite: Füchse und Löwen. Der Fuchs agiert mit Schläue, List und Elastizität - der Löwe dagegen, kraftvoll und gewaltbereit, sucht stets nach Konflikten. Erfolgreich sind vor allem Anführer, die beide Fähigkeiten vereinen, um im richtigen Moment entweder den inneren Fuchs oder Löwen von der Kette zu lassen.

Bei weiten Teilen der deutschen Eliten, ob Horst Köhler oder Angela Merkel, ob Verteidigungs- oder Außenminister, scheinen Fuchs- und Löwenmomente bisweilen arg durcheinander zu geraten. Wünscht man sich Merkel bisweilen etwas löwenartiger, würde man Westerwelle, Guttenberg und dem Bundespräsidenten zu fuchsartigerem Verhalten raten. Besonders augenfällig wurde das heikle Fuchs/Löwe-Spiel beim Wechsel des Freiherrn zu Guttenberg vom eher darstellerisch geprägten Wirtschaftsressort ins sensible Verteidigungsministerium. Mit gewohntem Schneid startete der CSU-Siegfried ins neue Amt und erklärte die Bomben von Kundus für militärisch angemessen. Der Fuchs hätte seine Worte in derart unübersichtlicher Lage listiger gewählt. Die Rollenverwirrung der deutschen Eliten ist einer hysterisch geladenen Debatte geschuldet, die Führungskräfte immer wieder in paradoxe Entscheidungssituationen manövriert. Natürlich weiß die Bundeskanzlerin, dass der Schuldenhaushalt keine Spielräume für Steuersenkungen lässt. Eine konfliktfreudige Löwin würde dem Volk die bittere Wahrheit verkünden: Nur mit Kürzungen, langfristiger Ausgabendisziplin und kollektiver Anstrengung lassen sich griechische Verhältnisse abwenden. Doch die Füchsin Merkel weiß: Jeder Satz zuviel zum heiklen Thema Finanzen würde Wähler schrecken. Im Spannungsfeld zwischen Steuersenkungsversprechen und der leeren Kasse würde ein ehrliches Festlegen nur Konflikte und mithin schwindende Chancen bei der NRW-Wahl bedeuten. Umgekehrt verhält es sich mit Horst Köhler und Guido Westerwelle: Beide wirken bisweilen wie Hasen, die sich eine Löwenmähne umgehängt haben. Ihr anhaltendes Gebrüll steht im erschreckenden Widerspruch zu seiner Wirkungslosigkeit. Die Klage über das Versagen der Eliten ist alt und immer richtig. 1992 verfasste der SPD-Politiker Peter Glotz mit CDU-Kollegin Rita Süßmuth das Werk "Die planlosen Eliten". Diagnose: Ökonomische und kommunikative Inkompetenz ergeben Führungsversagen - Generalkritik ist Nicken stets gewiss. Die spannendere Frage aber lautet: Welche Alternative bietet sich dem Spitzenpersonal? Wohin löwenartiges Regieren führt, hat Merkels Vorgänger erfahren. Zwar hat Basta-Schröder das historische Hartz-Paket durchgesetzt - aber teuer bezahlt, mit Machtverlust plus SPD-Erosion. Schröders Nachfolger wissen: Löwen sind theoretisch gewünscht, werden aber praktisch nie belohnt. Die Elite ist eben keine isoliert agierende Kaste, sondern vielmehr Abbild der Kundschaft. Würde Ehrlichkeit zu Wahlerfolgen führen, wären Politiker die ersten, die ihren Stil änderten.

Quelle: Berliner Morgenpost

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