Börsen-Zeitung: Zinserhöhungsfieber
Archivmeldung vom 15.02.2018
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Freigeschaltet durch André OttAlles halb so wild? Gerade einmal rund eine Stunde hat am Mittwoch das Marktchaos angehalten. Es waren Turbulenzen mit Ansage, die auslösenden US-Preisdaten wurden mit Spannung erwartet. Normalerweise schaut der Markt in den Vereinigten Staaten auf den Arbeitsmarkt, den Einzelhandelsumsatz (im Januar schwach) und die ISM-Einkaufsmanagerindizes. Nun aber die Preisdaten, die typischerweise in der Eurozone viel Aufmerksamkeit erfahren.
In diesen Tagen ist es jedoch anders, denn seit sehr starken Arbeitsmarktdaten für den Januar sind die Märkte im Zinserhöhungsfieber. Und wenn erst einmal ein Thema dominiert, dann werden auch die kleinen Hinweise darauf genauestens analysiert. So geschehen gestern mit den US-Verbraucherpreisen. Sie waren im Januar um 2,1% gestiegen und nicht um 1,9%, wie der Konsens erwartet hatte. Das ist zwar nur eine Differenz von 0,2 Prozentpunkten, aber aus zwei Gründen ist dies relevant: Zum einen liegt die Inflationsrate damit oberhalb der Zielmarke der US-Notenbank von 2,0%. Und da zum Zweiten die Marktteilnehmer, wie es so schön heißt, auf dem falschen Fuß erwischt wurden, schossen die Zinsfantasien in die Höhe. Zwar beruhigten sich schon bald wieder alle, und die Aktienkurse drehten ins Plus. Denn bei genauerer Betrachtung und etwas Durchatmen lassen jene 2,1% vielleicht doch nicht den Schluss zu, dass die Federal Reserve schneller als erwartet die Leitzinsen anheben wird.
Aber war das wirklich alles halb so wild? Keinesfalls. Was sich gestern Nachmittag (europäischer Zeit) abspielte, unterstreicht die seit Monatsbeginn anhaltende hohe Nervosität. Die heftigen Kursausschläge am Aktien- wie am Anleihemarkt sowie die deutlich höhere Volatilität sind ein Zeichen dafür, dass viele Anleger hochgradig verunsichert sind über die Marktentwicklung angesichts der sich abzeichnenden globalen Straffung der Geldpolitik. Zwar wurden die Turbulenzen möglicherweise von automatisierten Handelsstrategien beschleunigt, im Kern geht es um die Inflations- und damit Zinsentwicklung.
Höhere Zinsen lasten auf Aktienbewertungen, weil sie zu einer stärkeren Diskontierung künftiger Gewinne führen. Und sie lasten auf Anleihekursen, weil diese fallen müssen, damit sich die Sekundärmarktrenditen den Zinserwartungen anpassen können. Das heißt: Aktien- und Anleihekurse fallen parallel, es gibt bei der globalen Zinswende keine Absicherung aus der Diversifikation der beiden Hauptanlageklassen. Das ist für gemischte Portfolien nicht beruhigend.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Stefan Schaaf