Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Wahlkampf in Hamburg
Archivmeldung vom 16.02.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMorgen soll die Kanzlerin retten, was nicht mehr zu retten ist. Angela Merkel müsste zaubern können, wollte sie an den desaströsen Umfragewerten der CDU in Hamburg von 23 Prozent noch etwas ändern. Eigentlich bräuchte sie gar nicht mehr zur großen Wahlkampf-Abschlussveranstaltung an die Elbe zu reisen. Sie weiß am besten, dass ihrer Partei am Sonntag ein Desaster bevorsteht.
Das mit Spannung erwartete Superwahljahr mit sieben Landtagswahlen fängt ausgerechnet mit einem vermeintlichen Langweiler an. In Hamburg lautet die simple Frage: Holt Olaf Scholz die absolute Mehrheit, oder braucht er die Grünen als Partner? Wer den SPD-Spitzenkandidaten beobachtet, wird feststellen, dass vom einstigen angriffslustigen Generalsekretär und kampfeswilligen Arbeitsminister der damaligen rot-grünen Bundesregierung nicht viel übrig geblieben ist. Scholz ist zurückhaltender, ruhiger geworden. Er wirkt seriös, leise, fast schon bieder. So hat er Hamburg bereits vor der Wahl im Sturm erobert. Hinzu kommen Themen, mit denen er der CDU den Rang abgelaufen hat. Sie reichen von einer durchaus ambitionierten Finanz- und Wirtschaftspolitik bis hin zur Rettung des Schauspielhauses, der stärkeren Unterstützung des Hafens oder des Baus von 6000 dringend benötigten Wohnungen pro Jahr in der Hansestadt. Vom Kurswechsel in der Schulpolitik nach dem für schwarz-grün so verheerenden Volksentscheid ganz zu schweigen. Kurzum: Scholz hat es geschafft, über die SPD-Klientel hinaus viele Bevölkerungsgruppen anzusprechen - mit einer Politik, die man eigentlich von der CDU erwartet hatte. Bundespolitische Unterstützung hat er nicht nötig. Während man Merkel und Westerwelle fast an jeder Straßenecke trifft, sind Wahlplakate von Sigmar Gabriel Mangelware. Scholz braucht und will die schwächelnde Bundes-SPD nicht. Er ist immer noch Schröderianer. Es ist kein Zufall, dass der Altkanzler seinen Ex-Generalsekretär unterstützt. Sowohl Scholz als auch Schröder werden sich diebisch darüber freuen, einen Wahlsieg einzufahren, von dem Sigmar Gabriel nur träumen kann. Die Stärke der SPD ist auch die Schwäche der CDU. Ole von Beust hat sich und seiner Partei keinen Gefallen getan, die Brocken hinzuschmeißen. Sein ohnehin unbeliebter Nachfolger Christoph Ahlhaus muss sich für Dinge rechtfertigen, die er selbst nicht zu verantworten hat. Und die Grünen haben die personelle Schwäche der CDU mit dem Bruch der Koalition eiskalt ausgenutzt. Zu einem der wenigen Wahlkampfauftritte ist Sigmar Gabriel ebenso wie Angela Merkel morgen in Hamburg. Der SPD-Parteichef wird die positive Stimmung an der Elbe vermutlich wie Honig aufsaugen und von einem Signal für ganz Deutschland sprechen. Merkel und Gabriel auf ungleicher Wahlkampftour. Während Hamburgs CDU auch von der Kanzlerin nicht mehr zu retten ist, profitiert Gabriel - auch wenn er zum Höhenflug der SPD in der Hansestadt selbst so gut wie nichts beigetragen hat.
Quelle: Westfalen-Blatt