Börsen-Zeitung: Coup der Notenbanken
Archivmeldung vom 19.03.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMit ihren koordinierten Interventionen zum Wohle des Yen ist den großen Zentralbanken ein echter Überraschungscoup gelungen. Zwar hatten nach dem Erreichen eines Allzeittiefs des Dollar von 76,25 Yen viele Akteure am Devisenmarkt damit gerechnet, dass die Bank of Japan einschreiten wird. Allerdings hatten insbesondere Hedgefonds darauf spekuliert, dass es ihnen gelingen würde, dagegenzuhalten.
Schließlich gibt es aktuell starke Kräfte, die der japanischen Devise Auftrieb verleihen. So müssen derzeit Rückversicherer umfangreiche Mittel in das krisengeschüttelte Land zurückführen, um daraus die bei ihnen versicherten Schäden zu bedienen. Derartige Repatriierungen hatte es bereits nach dem großen Erdbeben von Kobe im Jahr 1995 gegeben - mit entsprechenden Folgen für den Yen. Dass die japanische Notenbank den Repatriierungen entgegenwirken und gleichzeitig die Hedgefonds in Schach halten könnte, erschien eher unwahrscheinlich. Man fühlte sich auch an die Schweizerische Nationalbank erinnert, die dem Auftrieb des Franken in den vergangenen Monaten eher hilflos gegenüberstand. Und schließlich war es schon elf Jahre her, dass sich die Zentralbanker zuletzt zu einer konzertierten Aktion zum Wohle des Yen zusammengefunden hatten. Daher sah es nach ziemlich sicheren Gewinnen der Hedgefonds auf Kosten des krisengeschüttelten Landes aus.
Der Wucht der Aktion der Notenbanken hatten die spekulativen Marktteilnehmer dann aber letztlich wenig entgegenzusetzen. Bis auf 82 Yen fiel der Dollar zurück, zumal die Zentralbanken wohl mit der notwendigen Entschlossenheit ans Werk gegangen sind. Dabei hat sich schon in der Vergangenheit gezeigt, dass Währungshüter etwas bewegen können, wenn sie zusammenarbeiten: So war es den Notenbanken bereits 1995 gelungen, einen jahrelangen Aufwärtstrend des Yen zu stoppen.
Atempause gewährt
So weit - so gut. Japan erhält nun die erhoffte Atempause, um Erdbeben und Atomunfall besser bewältigen zu können. Ein himmelhoher Kurs des Yen hätte nämlich der krisengeschüttelten japanischen Wirtschaft neue Lasten aufgebürdet, da die für das Land so wichtigen Exporte erheblich behindert worden wären.
Allerdings ist festzustellen, dass die Stützungsmaßnahmen letztlich einen hohen Preis haben. So ist die Bank of Japan gezwungen, ihre bereits jetzt extrem lockere Geldpolitik - mit einem Leitzins von null Prozent und umfangreichen quantitativen Maßnahmen - weiter zu lockern, die Scheunentore noch weiter zu öffnen und die Märkte flächendeckend mit Liquidität zu fluten. Die Notenbank kommt also von ihrer Anti-Krisen-Politik nicht weg, eine Normalisierung der Geldpolitik rückt in sehr weite Ferne. Und eine global koordinierte Devisenmarktintervention ist letztlich auch immer nur eine Krisenmaßnahme.
Grund zur Sorge
In den anderen Regionen der Welt ist ebenfalls wieder von Krisenbewältigung die Rede. Und zwar zu Recht, denn es gibt - nur zwei Jahre nach dem Ende der Finanzkrise - wieder Grund zu Sorge. Sollte sich der Atomunfall im Kraftwerkszentrum Fukushima doch noch zu einer großen nuklearen Katastrophe ausweiten - beispielsweise mit einer radioaktiven Verseuchung des Großraums Tokio -, würde dies Schockwellen an den Finanzmärkten rund um den Globus auslösen und wohl auch die globale Konjunktur in Mitleidenschaft ziehen. Gefahr droht ferner in Libyen, wo sich die internationale Staatengemeinschaft endlich dazu durchgerungen hat, den durchgeknallten Diktator in die Schranken zu weisen. Es sind Gaddafi durchaus Verzweiflungstaten zuzutrauen, etwa die Zerstörung von Ölquellen nach dem Vorbild Saddam Husseins. Das könnte den Ölpreis doch noch sprunghaft nach oben treiben - auch dies hätte negative Folgen für die globale Konjunktur.
Wie es scheint, kommt die Welt derzeit nicht so recht aus der Krisenstimmung heraus. Dies betrifft auch die Finanzmärkte, die sich aufgrund der seit Jahren anhaltenden und enormen Flutung mit Liquidität durch die Notenbanken in einem volatilen und anfälligen Zustand befinden. Eine Rückkehr zu Normalität und stabilen Märkten wird noch lange auf sich warten lassen.
Quelle: Börsen-Zeitung