Lausitzer Rundschau: Erstes Urteil zum Siemens-Schmiergeldskandal
Archivmeldung vom 29.07.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIst es so verwerflich, was Ex-Siemens-Direktor Reinhard S. jahrelang organisiert hat? Er hat Geldmittel in Millionenhöhe bereitgestellt, um damit ausländische Potentaten und andere Entscheidungsträger zu schmieren, damit bei Siemens eingekauft wird und damit Arbeitsplätze - auch in Deutschland - gesichert wurden.
Doch ehe ihm ein Orden angeheftet und die bei Siemens betriebene Auslands-Korruption als Kavaliersdelikt verniedlicht wird, sollte bedacht werden, was der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht München als Erkenntnis formuliert hat. Demnach ging es - was auch verboten gewesen wäre - nicht nur darum, für den Konzern auf diese Weise Aufträge an Land zu ziehen. Nein, es ging darum, "Mondpreise" durchzusetzen, wie es Peter Noll formulierte. So erleichterte der Konzern mithilfe örtlicher korrupter Potentaten die Steuerzahler von zum Teil recht armen Ländern um viele Millionen, wahrscheinlich Milliarden. Angesichts der Tatsache, dass Siemens-Mitbewerber sich dieser Mittel nicht bedienten, hat der Konzern Grundregeln des internationalen Wettbewerbs mit Füßen getreten. Die heutige Siemens-Führung sieht das genauso. Dennoch vermittelt sie den Eindruck, dass sich die vom Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher verordnete rückhaltlose Ächtung der Schmiergeld-Epoche noch nicht bis in alle Konzernecken als Unternehmenskultur ausgebreitet hat. Dass frühere Bereichs- und Zentralvorstände bis hin zu Heinrich von Pierer nicht Manns genug waren, dem Gericht als Zeugen zur Verfügung zu stehen, war erwartet worden - enttäuschend ist es trotzdem. Man hätte ein wenig von dem Rückgrat erwartet, das die Herren beim Verkünden von Einschnitten zeigen.
Quelle: Lausitzer Rundschau