Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Ukraine
Archivmeldung vom 05.10.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDriftet die Ukraine weiter in den Einflussbereich Moskaus oder führt der Weg des Landes langsam, aber beharrlich in Richtung Europäische Union und Nato? Diese Frage bleibt auch nach den Parlamentswahlen bisher unbeantwortet.
Das Land ist
weiterhin politisch zerrissen zwischen den Moskau-treuen Hochburgen
des bisherigen Ministerpräsidenten Viktor Janukowitsch im Osten und
dem nach Westen strebenden Bündnis der früheren orangenen
Koalitionäre Julia Timoschenko und Viktor Juschtschenko. Die Siegerin
der Wahl ist Julia Timoschenko. Ob sie allerdings ihren Erfolg in
eine stabile Koalition ummünzen kann, ist nach dem knappen
Wahlausgang offen. Beide Lager brauchen kleine Parteien als
Steigbügelhalter zu einer tragfähigen Mehrheit.
Timoschenkos erstes Bündnis mit Juschtschenko endete im Streit und
ihrer Entlassung als Ministerpräsidentin. Beide enttäuschten nach der
orangenen Revolution das Vertrauen der Menschen in eine bessere
Zukunft des Landes. Vor diesem Wahlgang einigten sich beide erst nach
langen Streitereien auf ein neues Bündnis. Ob dieses Bündnis jedoch
tragfähig genug sein wird, innenpolitische Reformen anzupacken und
die Korruption zu bekämpfen, wie es sich Timoschenko auf die Fahnen
geschrieben hat, ist nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre
zweifelhaft.
Eine Wiederbelebung des bereits zweimal gescheiterten Bündnisses
trägt enorme Risiken in sich. In 18 Monaten stehen
Präsidentschaftswahlen an. Dann werden sich sich die ehrgeizige
Timoschenko und Juschtschenko wieder als Rivalen gegenüberstehen. Das
wird nicht ohne Folgen für eine Koalition bleiben.
Und hier kommt Russland ins Spiel. Der mächtige Nachbar wacht
eifersüchtig darüber, dass die Ukraine, einst Teil der Sowjetunion,
nicht weiter unter den Einfluss des Westens gerät. Ein künftiges EU-
und Nato-Mitglied Ukraine will der russische Präsident Wladimir Putin
um jeden Preis verhindern.
So wird es interessant sein zu sehen, auf welche Seite sich die
kleine Partei des früheren Parlamentspräsidenten Wladimir Litwin
schlagen wird. Er gibt sich nach beiden Seiten hin offen. Doch er
wird verdächtigt, dass Moskau seine Wahlkampagne finanziert hat,
damit er Janukowitschs Lager stärkt.
Wie unverhohlen Putin Druck auf die Ukraine ausübt, zeigt nicht nur
die Tatsache, dass Moskau jetzt mit der Drosselung von Öl- und
Gaslieferungen droht, falls offene Rechnungen nicht beglichen werden.
Bereits vor dem Wahltag durfte Moskaus Botschafter in Kiew trocken
erklären, dass die Höhe des künftigen Gaspreises für die Ukraine von
der Regierungsbildung abhängt. Die Moskauer Wirtschaftszeitung
Kommersant berichtete, dass der Preis pro 1000 Kubikmeter für eine
Regierung Timoschenko bei 230 Dollar liegen solle. Janukowitsch
erhielte einen Vorzugspreis bis zu 175 Dollar. Dies ist auch ein
deutliches Signal an westliche Regierungen, wie Moskau mit seinen
Energiereserven künftig Politik zu machen gedenkt.
Quelle: Pressemitteilung Westfalen-Blatt