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Börsen-Zeitung: Vorbild statt Vorreiter

Archivmeldung vom 04.09.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.09.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Am 20. September wird über das zentrale Projekt des Landes entschieden: Die Bundesregierung will das Klimaschutzgesetz unter Dach und Fach bringen. Es müsse "jetzt Schluss sein mit Pillepalle", kündigt Angela Merkel an. Wenn das halbwegs ernst gemeint ist, sind die Auswirkungen und Einschnitte für Wirtschaft und Unternehmen kaum zu überschätzen.

Betroffen sind Kraftstoffpreise, Bahn- und Flugtickets, die Pendlerpauschale, Heizöl und Strom. Dem CO2 wird ein Preis gegeben, damit es dort eingespart wird, wo dies mit den geringsten Kosten geschieht. Offen ist, ob ein Bündel diverser Maßnahmen der beste Weg ist - oder ein separates deutsches Handelssystem für Emissionsrechte, das auch Verkehr und Wohnen einbezieht und später auf EU-Ebene gespiegelt werden könnte. In jedem Fall sollen die Staatseinnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Bürger zurückfließen.

In Berlin wird die Groko sich hin- und hergerissen fühlen. Die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich und die Wahlerfolge der AfD sprechen dafür, Bürger und Unternehmen nicht allzu stark neu zu belasten. Andererseits geben die Wahlerfolge der Grünen den Anreiz, mit dem Klimaschutz ernst zu machen.

Der Sachverständigenrat hat in einem Sondergutachten durchdachte Empfehlungen vorgelegt: CO2 muss einen Preis erhalten. Aber Deutschland sollte nicht die international im Pariser Klimavertrag vereinbarten Ziele übererfüllen und somit eine Vorreiterrolle einnehmen. Weil der Anteil des Landes am globalen CO2-Ausstoß gering ist, würde das nicht viel bringen und die zu erwartende harte Gegenbewegung hierzulande würde andere Länder abschrecken.

Besser ist es, international eine Vorbildfunktion einzunehmen. Das bedeutet: Deutschland erfüllt die international vereinbarten Ziele auf eine besonders effiziente, kostengünstige Weise. So würde zum Beispiel nicht das modernste Steinkohlekraftwerk aus purer Symbolsucht abgeschaltet - und statt teurer Einspeisevergütung gäbe es eine bessere Flächenbereitstellung für wettbewerbsfähige Windräder. Klimaschutz fände mit wenig Wohlstandsverlust statt. Das reizt andere Länder, das deutsche Modell zu kopieren.

Der Weltklimarat IPCC hält es immer noch für möglich, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad zu begrenzen. Aber um auch nur eine Chance zu haben, diese Zahl zu erreichen, müsste jedes Land der Welt seine Infrastruktur und Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren komplett erneuern. Nichts weniger als das steht Deutschland nun bevor, wenn wirklich Schluss mit Pillepalle sein soll.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots)  von Christoph Ruhkamp

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