Neue Westfälische: Sozialdemokratin Merkel
Archivmeldung vom 16.10.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDass die schwarzgelbe Koalition als erstes die Lage von Hartz-IV-Empfängern verbessert, kommt für viele unerwartet. Vor allem für die Sozialdemokraten. Schließlich sollte nach deren Wahlkampfparolen Schwarz-Gelb den sozialen Kahlschlag in Deutschland einleiten. Doch davon ist derzeit nichts zu spüren.
Im Gegenteil. Die CDU-Kanzlerin Angela Merkel empfiehlt sich als bessere Sozialdemokratin. Die Erhöhung des Schonvermögens, die Unantastbarkeit des Wohneigentums und der bessere Zuverdienst: Es stellt sich bei diesem Dreiklang die Frage, warum er nicht von den Genossen in der Großen Koalition durchgekämpft wurde. Die Erhöhung des Schonvermögens betrifft zwar gar nicht so viele Langzeitarbeitslose und kann auch als Symbolpolitik abgetan werden. Aber Symbole sind in der Politik wichtig. Schwarz-Gelb signalisiert so der Mittelschicht, dass sie im Fall der Arbeitslosigkeit nicht völlig ins Bodenlose fällt. Das ist nicht unerheblich für jene, die von Absturzängsten geplagt werden. Für die Regierungspartei SPD war es einst ein unglaublich schwieriger Kraftakt, Hartz IV durchzusetzen. Die Ängste der eigenen Stammwähler spielten 2003 keine Rolle. Man wollte und musste das Land modernisieren. Koste es, was es wolle. Eine Angela Merkel würde angesichts solch reformerischen Eifers heutzutage nur milde den Kopf schütteln. Ähnlich wie andere konservative Parteien in Europa - etwa in Frankreich oder in Großbritannien - besetzt auch die Union zunehmend die Mitte, sogar in der Sozialpolitik. Damit graben aber die Konservativen, und auch diese Entwicklung ist in vielen anderen Ländern zu beobachten, den Sozialdemokraten das Wasser ab. Für die SPD bedeutet das, dass sie sich ganz neu erfinden muss. Ein bloßes Wiederkäuen alter Konfrontationen geht jedenfalls zunehmend an der Realität vorbei.
Quelle: Neue Westfälische