Neue OZ: Maßlose und irrwitzige Strafe
Archivmeldung vom 06.10.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs ist eine harte, irrwitzige Strafe, die ein Pariser Gericht gegen Jérôme Kerviel verhängt hat. Denn natürlich kann der ehemalige Börsenhändler niemals im Leben 4,9 Milliarden Euro Schadenersatz zahlen. Bei seinem derzeitigen Einkommen als Berater bräuchte er dafür 178 000 Jahre, ohne auch nur einen einzigen Cent für sich selbst behalten zu können!
Fast scheint es so, als ob die Maßlosigkeit, mit der Kerviel bis zum Platzen der Spekulationsblasen an den Börsen gezockt hat, das Gericht angesteckt hätte. Denn abschreckend oder erzieherisch wirken solche der Realität Hohn sprechenden Strafen nicht.
Auch nach dem Urteil bleiben zentrale Fragen unbeantwortet. Natürlich hat Kerviel schwere Schuld auf sich geladen - etwa weil er Unterschriften fälschte und mit bis zu 50 Milliarden Euro jonglierte, obwohl er maximal 125 Millionen Euro hätte einsetzen dürfen. Doch zugleich überrascht, dass Untersuchungsberichte über umfassende Organisations- und Kontrollmängel bei der Société Générale nicht ins Urteil eingeflossen sind.
Ein kleiner Börsenhändler bringt eine Großbank an den Rand des Ruins: Das ist nur möglich, wenn rund um ihn herum kriminelle Fahrlässigkeit und Geldgier herrschen. Nicht allein Jérôme Kerviel gehört auf die Anklagebank. Zudem müssten auch viele Verantwortliche in Wirtschaft und Politik Rechenschaft ablegen, die jahrelang ein mieses Spiel mit immer riskanteren Geldanlagen betrieben oder gefördert haben.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung