LVZ: Meseberger Luftschlösser
Archivmeldung vom 24.08.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNicht weniger als die Zukunftsfähigkeit Deutschlands wollen Angela Merkel und ihre Ministerriege auf der Meseberger Regierungsklausur erreichen. Nichts gegen das hochgestochen schöne Ziel, aber in Wahrheit geht es nur um die Zukunftsfähigkeit der Großen Koalition selbst.
Vor der Halbzeit der Legislatur wirkt die gefühlte Zwangsehe
von Union und SPD zerstritten, innerlich ausgelaugt. Nach
außenpolitischen Höhenflügen der Kanzlerin droht innenpolitische
Themenschwindsucht als Folge gegenseitiger Blockade. Wie soll da in
einem abgeschiedenen barocken Gästehaus Elan für zwei weitere
Regierungsjahre aufgebaut werden, fragen sich Bevölkerung und
Opposition zweifelnd, wenn schon die angekündigte Rettung des
Weltklimas zum stärksten Kitt des Koalitionsfriedens und zum
strahlendsten Ablenkungsmanöver von den gravierenden Problemen der
veränderungbedürftigen Republik avanciert.
Ob Merkel und ihr dramatisch um Beachtung ringender Umweltsheriff
Gabriel mit ihrem gründlich-teuren deutschen Sonderweg den Globus
tatsächlich retten werden, bleibt abzuwarten. Bis dahin allerdings
sollten sie Deutschland auf den nicht in der Ewigkeit liegenden
Zeitpunkt vorbereiten, an dem die Konjunktur nicht mehr brummt und
die Wirtschaft nur noch Dynamik entwickeln und Arbeitslosigkeit
sinken kann, wenn vorher die Rahmenbedingungen verändert werden.
Selten waren die Voraussetzungen für eine Regierung so günstig: Die
Zahl der Arbeitsplatzbesitzer steigt auf ein schon lange nicht mehr
erreichtes Niveau und Dank Konjunktur und der höchsten
Steuererhöhungen in der bundesrepublikanischen Geschichte könnten die
staatlichen Haushalte am Jahresende sogar ohne Neuverschuldung
auskommen.
Natürlich bleibt immer noch eine unverantwortlich hohe, zukünftige
Generationen finanzpolitisch in Geiselhaft nehmende
Staatsverschuldung, die längst nicht abgebaut ist. Aber wenn die
Große Koalition einen echten Neustart wagen würde, der über die
vorübergehende Ausmerzung menschlicher Kleinkariertheiten unter
Kabinettsmitgliedern hinausgeht, dann müsste sie jetzt eine
politische Kehrtwende um 180 Grad vollziehen. Durch
Steuerentlastungen weit über die geplante Unternehmenssteuerreform
hinaus könnte die noch immer gedämpfte Kauf- und Investitionslaune
gestärkt werden. Mit mehr Geld in den Händen der Bürger stellt sich
Wirtschaftswachstum von alleine ein. Doch für derart
standortorientierte Politik stehen im nach links gerutschten
Deutschland bestenfalls noch die Liberalen, aber nicht mehr die Union
Merkels. Die denkt genauso wie die SPD vornehmlich darüber nach, wie
die sprudelnden Steuer- und Abgabenmilliarden in neue Staatsausgaben
verwandelt werden können.
So werden von Meseberg keine wirtschaftspolitischen Impulse ausgehen,
wohl aber kräftige Klopfzeichen des Überlebenswillens der Großen
Koalition. Merkels Selbsthilfegruppe baut Luftschlösser. Vieles von
dem, was jetzt als großartig Neuerfundenes ausgebenen wird, wurde
schon im Koalitionsvertrag vereinbart. Darüber hinaus regiert der
kleinste gemeinsame Nenner. Vermutlich, aber nicht garantiert, noch
zwei Jahre lang.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung