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Pressestimmen zum Ausgang der Wahl

Archivmeldung vom 19.09.2005

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.09.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Nachfolgend haben wir Ihnen verschiedene Pressestimmen zum vorläufigen Endergebnis der Bundestagswahl zusammen gestellt:

Rheinische Post: Berliner Verhältnisse

Eine Wahl, viele Verlierer, fünf Thesen und eine Frage. Erste These: Die Deutschen sind nach einem Jahrzehnt der Krise ein verunsichertes Volk. Die Angst vor der drastischen Veränderung durch einen klaren politischen Wechsel hat die Sehnsucht nach einer großen Koalition gestärkt. So haben viele ihre Wahlentscheidung getroffen: Kuscheln statt Konfrontation. Herz statt Hartz. Zweite These: Seit gestern gibt es wirklich eine Berliner Republik - mit Berliner Verhältnissen, und die sehen so aus: Die Kanzlerkandidatin Merkel kann sogar aus ihrem schwachen Wahlergebnis einen Führungsanspruch ableiten. Mit ungeduldigen Unions-Ministerpräsidenten im Rücken wird sie sich in ein wochenlanges Gezerre mit völlig entwurzelten Sozialdemokraten einlassen müssen, begleitet vom Getöse um andere Koalitionsmöglichkeiten. Dritte These: Am Ende werden die Volksparteien in einer Koalition der Fußkranken zusammen marschieren. Die Art der Reformpolitik, die dabei herauskommt, war in den letzten Jahren hinreichend zu besichtigen. Etwa beim Gesundheitskompromiss: Besser wurde nichts, geblieben ist die Praxisgebühr. Vierte These: Rot-Grün ist wie erwartet am Ende. Die Wähler haben aber allein die Kanzlerpartei SPD bestraft für ihre Erfolglosigkeit bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und ihren Zickzackkurs der vergangenen Jahre: zwei links, zwei rechts, viele fallenlassen. Gerhard Schröders Sympathiebonus hat wahrscheinlich gerade noch gereicht, um seiner Partei trotz eines dramatisch schlechten Ergebnisses einen Anteil an der Macht zu erhalten. Seine politischen Erben Peer Steinbrück und Matthias Platzeck drängelten sich gestern schon im Fernsehen. Und die Klientelpartei Grüne wurde für ihre Symbolpolitik belohnt. Die grüne Rechnung lautet: Dicke Kinder und Windrädchen gleich satte acht Prozent. Fünfte These: Die FDP bleibt wohl ein tragischer Fall. Durch Leihstimmen aufgeblasen, doch in Wahrheit schwach auf der Brust. Und jetzt die Frage: Wie soll es so in Deutschland aufwärts gehen?

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Neues Deutschland: kommentiert den Wahlausgang

Die beiden großen Parteien, die vor allem für den Sozialabbau der letzten Jahre stehen, haben gestern eine Niederlage eingesteckt. SPD und Union sind die Verlierer dieser Wahl - egal, ob die eine oder die andere oder gar beide in Zukunft regieren. Die Niederlage ist deutlich und völlig verdient. Eine große Koalition wäre ein Bündnis der Wahlverlierer. Seit die SPD wegen der Agenda 2010 bei Landtagswahlen rei- henweise bestraft wurde, hat Gerhard Schröder alle Register gezo- gen. Er gab den Parteivorsitz ab, verlegte den Wahltermin, kramte soziale Parolen hervor. Die Politik indessen, der doch die Wut vie- ler Menschen gilt, blieb unverändert. Das einzig Imponierende war Schröders geradezu sture Selbstgewissheit. Bei der Union wurde trotz möglichst verhaltener Wahlkampfaussagen immer klarer, wohin mit Merkel und Kirchhof die Reise gehen soll. Weitere Steuererleichterungen für die Wohlhabenden, dazu die unselige Kopfpauschale in der Krankenversicherung. So schwenkten nicht wenige Wähler um auf die kleineren Partei- en. Die marktradikale FDP profitierte wohl von Unionswählern, die Schwarz-Rot verhindern wollten. Die Linkspartei, von allen Seiten angefeindet, zieht zwar mit einer starken Fraktion in den Bundes- tag ein, verfehlte aber ihr Ziel, drittstärkste Kraft zu werden. Den- noch kann sie künftig deutlich Widerspruch anmelden - eine Kraft gegen den neoliberalen Strom, gegen die Militarisierung der Au- ßenpolitik.

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Mitteldeutsche Zeitung: Mitteldeutsche Zeitung zu Bundestagswahl

Jetzt darf trefflich gerätselt werden, welche Regierungskoalition Rot-Grün ablöst. Am wahrscheinlichsten ist eine Zusammenarbeit der beiden großen Volksparteien. Allerdings wird zumindest in liberalen Kreisen eine "schwarze Ampel" (CDU/FDP/Grüne) in Erwägung gezogen. Dafür wäre aber die Überbrückung fundamentaler politischer Meinungsverschiedenheiten zwischen FDP und Grünen Voraussetzung. Übrigens genau so, wenn auf der anderen Seite eine - rechnerisch mögliche - Regierungsbildung von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen in Erwägung gezogen wird. Wer diese Konstellation befürwortet, muss sich allerdings die Frage gefallen lassen, ob das gestrige Wahlergebnis tatsächlich als Auftrag zur Bildung einer Regierung für Schröders SPD taugt.

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Südwest Presse: Kommentar zu Wahlen Koalitionen

Die Wähler haben gesprochen, aber sie haben kurz vor Torschluss das denkbar schlechteste Urteil gefällt. Sie haben Rot-Grün abgewählt, aber auch Schwarz-Gelb nicht zur Mehrheit verholfen. Rechnerisch sind jetzt alle Konstellationen möglich: Die große Koalition aus Union und SPD, das rot-grün-gelbe Bündnis und die Verbindung von Union, FDP und Grünen. Zum Glück sind die Parteien zu ihrem Wort im Wahlkampf gestanden und haben immerhin die Verbindung mit der Linkspartei ausgeschlossen. Und ein weiterer der geringen Vorteile dieses Ergebnisses: Die Nachwahl im Wahlkreis Dresden I wird das unbefriedigende Ergebnis nicht mehr verändern können. Über die Ursachen für die Verluste von SPD und Union muss man nicht lange rätseln. Die SPD verlor an die Linkspartei und einen großen Teil ihrer Zweitstimmen an die Grünen. Das hervorragende Abschneiden der FDP ist zum guten Teil auf das Misstrauen der Anhänger von Schwarz-Gelb zurückzuführen. Sie wollten die Liberalen stärken, weil sie befürchteten, es werde wegen der FDP zu ihrer Koalition nicht reichen. Jetzt ist es die Union, die versagt hat. Da kommen harte Zeiten auf Angela Merkel zu. Ihre Ehrlichkeit im Wahlkampf, die Ankündigung der Mehrwertsteuererhöhung und der Wirrwarr um den Steuerexperten Paul Kirchhof haben deren Wähler total verunsichert. Sie sind zu den Liberalen gegangen, die als einzige ein klares Steuerkonzept vorgelegt hatten. Zwar haben CDU-Ministerpräsidenten wie Roland Koch der Kandidatin die Unterstützung zugesagt. Aber das will nichts heißen. Wie Franz Müntefering und Gerhard Schröder dazu kommen, Schröder wieder als Kanzler auszurufen, bleibt ihr Geheimnis. Wenn die FDP nicht wieder zur "Umfallerpartei" werden will, muss sie sich an ihren Parteitagsbeschluss halten und sich einer Ampel mit SPD und Grünen nicht anschließen. Eher ist da schon die "Schwampel", also mit Union und Grünen, denkbar. Dies fordert aber die Union heraus. Atomausstieg, Gesundheitsprämie, Mehrwertsteuererhöhung muss Angelika Merkel in diesem Fall abschreiben. Das sind zentrale Bestandteile ihres Reformprogramms, die sie wohl eher der großen Koalition opfern wird. Im Bundesrat hat sie Erfahrungen schon gesammelt. Aber auch das ist kein Trost. Die Reformen wird eine große Koalition nicht voranbringen und damit auch nicht Deutschland.

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Stuttgarter Nachrichten: zur Bundestagswahl:

Diese Wahl hat nicht nur ihre Schockwellen durch die beiden Volksparteien ausgesandt, sondern auch durch die deutsche Wirtschaft. Vom Wählervotum her zeigt es eine blockierte Republik. Die Bevölkerung ist desorientiert, das Land am Rand der Unregierbarkeit. Es ist das Gegenteil eines Votums, das Aufbruch verheißt. Die Regierungsbildung wird schwierig werden, und der neuen Koalition – welcher auch immer – sind große Kompromisszwänge in die Wiege gelegt. Ein Aufbruch, der zu Wirtschaftswachstum, zu weniger Arbeitslosigkeit und zu solideren Staatsfinanzen führt – ein solcher Aufbruch sieht ganz anders aus.

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NRZ: NRZ zur Bundestagswahl

Die große Verliererin dieser Wahl heißt Angela Merkel. In der Union wird nun die Diskussion losbrechen, ob sie die richtige Kandidatin war. Ihr Wahlergebnis liegt noch unter dem von Edmund Stoiber, der die Messlatte für Merkel zwischen 42 und 45 Prozent angesiedelt hatte. Gemessen daran, ist ihr Wahlergebnis ein Desaster, auch wenn die Union im Parlament die stärkste Fraktion stellt. Kräftig aufgeholt hat die SPD - dank eines furiosen Wahlkampfes ihres Spitzenkandidaten Gerhard Schröder. Er liegt in den Sympathiewerten deutlich vor seiner Konkurrentin. Aber die Sozialdemokratie hat eines ihrer magersten Ergebnisse seit 1949 zu verbuchen. Schröder könnte zwar nur in einer Ampel-Koalition Kanzler bleiben. Doch er hat seiner Partei die Machtteilhabe gesichert, falls es zu einer großen Koalition kommt. Eine solche Zwangsehe birgt die Gefahr des Stillstandes, würde eine solche Koalition vier Jahre halten?



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