Börsen-Zeitung: Der Bönnsche Gönner
Archivmeldung vom 16.05.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMan muss auch gönnen können! In Bonn, dem Sitz der deutschen Allfinanzaufsicht BaFin, legt diese dem Rheinischen Grundgesetz angehängte Regel (Mundart: Mer muss och jünne könne!) nahe, weder neidisch noch missgünstig zu sein. Jochen Sanio, Präsident der BaFin, hat sie offenbar verinnerlicht.
Dass ihm ausgerechnet am Tag der Jahrespressekonferenz seiner Behörde das Staatsoberhaupt die Show stahl, hat der sonst für klare Ansagen bekannte Niedersachse nach eigenem Bekunden jedenfalls bestens verkraftet. "Mit Genuss" habe er die Berichte gelesen, in denen der Bundespräsident die internationalen Finanzmärkte mit einem Monster verglich, das in Schranken gewiesen werden müsse.
So viel Leichtigkeit muss man sich leisten können. Die Krise am amerikanischen Subprime-Hypothekenmarkt und die sich anschließenden Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten erkannte auch die deutsche Finanzaufsicht nicht vorzeitig. Wie die gestraften Banken, die sich auf der zum Teil offenbar verzweifelten Suche nach renditeträchtigen Anlagen die toxischen Wertpapiere andrehen ließen, verließ sich auch die BaFin auf Ratings für solche Subprime-Verbriefungen, die zu lange die Risikolosigkeit dieser Papiere suggerierten. Dass die Bonitätsprüfer, deren Geschäftsmodell auf Glaubwürdigkeit basiert, so danebenliegen konnten! Nun schlägt die internationale Armada der Finanzaufseher, vereint mit den Notenbanken und Regierungen der größten Industriestaaten, zurück und reguliert. Für die Ratingagenturen heißt das, dass sie sich künftig einem Kontrollgremium gegenüber verantworten müssen.
Als Mahner machte sich Sanio schon lange vor Ausbruch der Finanzmarktturbulenzen auch international einen Namen. So wie er die zu wenig transparenten Hedgefonds ("schwarze Löcher") geißelte, warnte er auch vor den Risiken hochkomplexer Finanzprodukte. Dass der Beinahe-Kollaps der IKB keine Kettenreaktion im deutschen Bankensektor und Dimensionen einer Branchenkrise wie 1931 nach sich zog, ist wohl auch auf das alarmierende Einschreiten des BaFin-Präsidenten zurückzuführen.
Insoweit ließe sich die Lockerheit vor der Presse also erklären. Das Adjektiv "monströs" habe er, so Sanio, kurzerhand aus dem Redetext gestrichen, um nicht als Epigone aufzutreten.
Quelle: Börsen-Zeitung (von Carsten Steevens)