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Berliner Morgenpost: Kein Schlussstrich beim Stasi-Unrecht

Archivmeldung vom 29.01.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.01.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das Stasi-Unterlagengesetz wurde zuletzt vor drei Jahren novelliert. Es war ein einziges Debakel. Der in den Bundestag eingebrachte Entwurf sah vor, die Regelüberprüfung von Mitarbeitern in Behörden auf eine Verstrickung mit der DDR-Geheimpolizei ein für allemal zu beenden.

Zugleich hätte die Birthler-Behörde dann auch öffentlichen und gemeinnützigen Stellen keine Auskünfte mehr über Stasi-Kontakte von hochrangigen Personen des gesellschaftlichen Lebens - Parlamentarier, Sportfunktionäre, Kulturschaffende - erteilen dürfen. Es drohte nicht weniger als die schärfste Zäsur in der Geschichte der DDR-Aufarbeitung. Die Abgeordneten planten eine "Operation Schlussstrich", die allerdings gerade abgewendet werden konnte. Aufgeschreckt durch heftige Proteste von Opferverbänden und Aufarbeitungsinitiativen, entschloss man sich im letzten Moment, den Gesetzesentwurf zu überarbeiten. Die Frist für die Überprüfung wurde in einem chaotisch anmutenden Verfahren bis Ende 2011 verlängert. Dieses Datum rückt nun näher, und deshalb besteht erneut Handlungsbedarf. Anders als vor drei Jahren hat das Parlament nun von sich aus die Initiative ergriffen. Dazu bedurfte es dieses Mal keines Drucks von außen. Jedoch befeuerten die Stasi-Fälle in der Brandenburger Politik die Debatte. Im Bundestag haben gestern die Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen zu erkennen gegeben, dass sie mit deutlicher Mehrheit dafür stimmen werden, die Stasi-Checks bis 2016 auszuweiten - möglicherweise sogar mit der Option einer weiteren Verlängerung. Dieser Sinneswandel ist bemerkenswert und alles andere als selbstverständlich. Noch vor 20 Jahren sprachen sich selbst namhafte Politiker wie Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble dafür aus, die Hinterlassenschaft von Mielkes Spitzelapparat im Reißwolf verschwinden zu lassen. Das große Wegsehen, das damals am entschiedenen Widerstand der Ostdeutschen scheiterte, ist mittlerweile offenbar nicht mehr konsensfähig. Vielmehr scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass man einer totalitären Vergangenheit nicht entfliehen kann, indem man die Dinge unter den Teppich zu kehren versucht. Kurioserweise ist die gewachsene Sensibilität nicht zuletzt der Linkspartei zu danken. "Honeckers Erben", wie sie der Gedenkstättendirektor Hubertus Knabe nennt, haben in Brandenburg zu erkennen gegeben, wie stark sie nach wie vor mit dem SED-Regime verquickt sind. In der Fraktion im Potsdamer Landtag hatte jeder vierte gewählte Abgeordnete der 26-köpfigen Linken-Fraktion eine Stasi-Vergangenheit - das ist bundesweit Rekord. Mehrere Parlamentarier haben ihre Verantwortung vertuscht und verleugnet. Dies hat bundesweit Aufsehen erregt und viele Befürworter eines Schlussstriches verstummen lassen. Einzig die Linke wehrt sich nahezu geschlossen gegen die Fortsetzung der Durchleuchtung. Sie wird wissen, warum. Anders als behauptet, nimmt der Wille zur Aufklärung in dieser Partei nur einen geringen Stellenwert ein.

Quelle: Berliner Morgenpost

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