Rheinische Post: Die CSU-Enkel bieten ein trauriges Bild
Archivmeldung vom 17.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittTheo Waigel hat mit der CSU so ziemlich alles erlebt. Deshalb muss man das Urteil des früheren CSU-Finanzministers besonders ernst nehmen: "Die CSU ist in ihrer größten Krise seit 1948. Der gegenwärtige Zustand widert mich an."
Dem möchte man nichts hinzufügen, muss es aber doch: Die CSU hat
es wie keine andere Partei vermocht, mit Wahlvolk und Land eins zu
werden. Sie war und ist die einzige Macht in Bayern. Der Slogan von
"Laptop und Lederhose" beschreibt eine Erfolgsformel, die viele
vergeblich zu kopieren suchen. Zu dieser Erfolgsgeschichte gehört
auch, dass die CSU sich immer wieder aus sich heraus erneuerte - zur
Not mit einer in der deutschen Politik seltenen Brutalität. So wurde
Waigel mit Anspielungen auf sein aus den Fugen geratenes Privatleben
als Regierungschef verhindert. Streibl stürzte als Ministerpräsident
über Hinweise aus der CSU auf seine angegriffene Gesundheit und
allerlei Amigo-Affären.
Vorwürfe wurden dann öffentlich gemacht, wenn eine Kampfsituation
heraufzog. Das gilt auch für den Fall Seehofer, der vielen in der
Parteispitze seit drei Jahren bekannt ist und jetzt gegen den
Liebling der Parteibasis instrumentalisiert wird. Trotz alledem
sorgten die Selbstheilungskräfte der CSU bislang dafür, dass nach
härtesten Machtkämpfen relativ rasch wieder Ruhe und Erfolg zu der
Partei zurückkehrten.
Dies bildete die Garantie dafür, dass die CSU auch für das
Zustandekommen bürgerlicher Mehrheiten in Deutschland entscheidend
war. Um so schmerzhafter war für die CSU die Erkenntnis, dass sich
das mit dem Zustandekommen der großen Koalition 2005 geändert hat.
Sie hat - auch durch den Verzicht Stoibers auf ein Berliner
Ministeramt - an Gewicht in Berlin verloren. Das ist eine wichtige
Ursache der heutigen CSU-Krise. Denn diese Erkenntnis hat Parteibasis
wie die CSU-Führung in München nicht ruhen lassen. Als Schuldiger ist
der abgenutzt wirkende und auftretende Ministerpräsident ausgemacht.
Somit ist es wohl keine Frage mehr, ob Stoiber abtreten muss, sondern
nur noch wann.
Parallelen zu Reinigungsprozessen anderer Volksparteien sind
offensichtlich. Der CSU-Erbfolgekrieg erinnert nicht zufällig an die
Schlachten der SPD-Enkelgeneration. Wie einst bei den
Sozialdemokraten, gibt es auch bei den Christsozialen mehrere
Kandidaten, die sich für die Spitzenposition berufen fühlen. Eine
verunsicherte Funktionärsschicht mag sich nicht entscheiden, es
existiert keine Überfigur in der Partei, die das Problem löst.
Deshalb wird die Entscheidung wie im Western-Duell ausgeschossen. Statt Kugeln fliegen schmierige Vorwürfe. Am Ende liegen eine Menge Opfer im Staub. Als Kollateralschaden der Wähler mit seinem Wunsch nach einer sachorientierten Politik.
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Post