Die Leipziger Volkszeitung zu Konjunkturpaket/Steuerbefreiung
Archivmeldung vom 12.11.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie USA machen es, Frankreich tut es, Großbritannien versucht es, weshalb sollte Deutschland sich dann verweigern? War der Staat gestern noch der Hort allen Übels, so schnürt er nun in immer schnelleren Maße Milliarden zu Bündeln für alle möglichen Not leidenden Branchen zusammen.
Im Gegenzug erwirbt er sich Firmenanteile. Manche nennen das beschönigend Industriepolitik. Andere träumen von einer Neuauflage staatssozialistischer Elemente. Fragt sich nur, wer die Nerven bewahrt in dieser hektischen Spirale kollektiver Unvernunft. Gerade am Beispiel der besonders laut um Hilfe rufenden US-Satellitentochter Opel zeigt sich, dass der Staat überfordert wäre, würde er nun mit Milliarden zur Absatzförderung aufwarten. Jahrzehntelang wurde vom US-Mutterkonzern ein einst florierendes Unternehmen ausgebeutet, zu Lasten von Image, Qualität und Marktanteilen. Auch wenn der Appell der Opelianer zu Herzen geht, die Hausaufgaben muss die Industrie selbst erledigen. Modelle, Marktwünsche und Markenakzeptanz lassen sich nicht mit Staats-Paketen kaufen. Ganz davon abgesehen, dass mit einem Schlag sehr viele Opel-Fälle beim Staat ankämen. Dem Maschinenbau geht es in China schlechter, in der Bauwirtschaft zwickt es überall, die Chemiewirtschaft stände ebenfalls bald auf der Matte und die Milchbauern jammern sowieso. So schnell könnten die Gelddruckmaschinen gar nicht rattern, wie hier Mittel für gute Zwecke, und sei es auch nur zum Schutz der Beschäftigten, angefordert und versenkt würden. Wie sehr ungezügelte Hektik zu unvernünftigen Beschlüssen führen kann, zeigt das von der großen Koalition ausgeheckte Modell einer befristeten Kfz-Steuerbefreiung für schadstoffärmere Neuwagen. Niemand glaubt im Ernst, dass sich jemand nur deshalb einen neuen Kleinwagen kauft, nur weil umgerechnet einmal frei tanken als Geschenk oben drauf kommt. Heute dies, morgen das - Vertrauen schafft man mit derlei Wirrwarr ganz sicher nicht. Zumal der falsche Eindruck entstehen könnte, mit ein paar konjunkturpolitischen Mittelchen ließe sich die Kraft des Finanzmarkt-Tsunamis ausgleichen. Über gezielte Hilfe, die nachhaltig wirkt und Beschäftigung sichert, muss und soll der Staat nachdenken. Aber erst denken und dann handeln. Und im Übrigen hat die Politik in den vergangenen Jahren ansatzweise gezeigt, wie man Krisenpolitik macht.Eine solche Kraftanstrengung, wie mit der Agenda 2010 gelungen ist, sucht man in vielen Branchen, nicht zuletzt im Autobereich, noch immer vergeblich.
Quelle: Leipziger Volkszeitung