Leipziger Volkszeitung zu Weltkultur-Erbe/Dresdner Elbtal
Archivmeldung vom 12.07.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.07.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Entscheidung hat am Ende niemanden mehr überrascht. Selbst eingefleischte Befürworter der Waldschlösschenbrücke nicht. Dresden kommt auf die Rote Liste der bedrohten Welterbe-Stätten, weil sich das Brückenbauwerk mit der einmaligen Landschaft des Elbtals nicht in Einklang bringen lässt.
Wenn etwas wirklich überrascht, dann
vielleicht der scharfe Ton, in dem die 21 Mitglieder des
Welterbe-Komitees in Vilnius ihre Bedenken gegen das Projekt verfasst
haben.
Begriffe wie "irreversible Schäden" und die "dringende Aufforderung,
Alternativen zu suchen" lassen nur einen Schluss zu: Die
Landeshauptstadt Dresden hat keinen Verhandlungsspielraum mehr. Sie
muss sich entscheiden zwischen Brücke und Welterbe-Titel. Beides
zusammen wird es mit der Unesco nicht geben. Punkt.
Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob es so kommen musste. Aber die
Befürworter der Waldschlösschenbrücke mit dem suspendierten OB Ingolf
Roßberg an der Spitze haben alles falsch gemacht, was man im Umgang
mit einer Weltorganisation falsch machen kann. Der Kardinalfehler
war, die Kritik der Unesco aussitzen zu wollen. Statt die Karten auf
den Tisch zu legen und mit Francesco Bandarin und seinen Leuten ins
Gespräch zu kommen, ignorierte die Stadtspitze die Bedenken. Als dies
nicht mehr ging, versuchte man zu tricksen, polemisierte gegen die
Einmischung auswärtiger Kritiker. Soviel Provinzialität lassen sich
die Bewahrer des Welterbes nicht bieten. Auch wenn man den Damen und
Herren vorhalten muss, dass sie ihre Bedenken durchaus früher hätten
äußern können, vulgo: geschlafen haben.
Aber die Unesco sitzt am längeren Hebel. Das Problem hat Dresden -
und die Erkenntnis: Roßberg denkt, Blobel lenkt. Einerseits gibt es
einen eindeutigen Bürgerentscheid zum Bau der Brücke. Den kann die
Stadtspitze nicht einfach beiseite fegen. Andererseits riskiert
Dresden mit der Aberkennung des Titels einen Imageschaden, der schwer
zu beziffern ist. Zumindest wäre der Verlust der Auszeichnung ein für
Deutschland einmaliger Vorgang. Köln hat alles getan, dass es nicht
soweit kommt. Die Pläne, Hochhäuser in der Nähe des Doms zu bauen,
sind ad acta gelegt. Die Unesco hat das honoriert und die Stadt von
der Roten Liste gestrichen. Am Rhein knallten die Sektkorken aus
Erleichterung, eine internationale Blamage vermieden zu haben.
Wie Dresden sich entscheidet, ist offen. Klar ist aber, dass der
Bürgerentscheid vom letzten Jahr einer Überprüfung bedarf. Mit der
Roten Liste ergibt sich eine neue Sachlage, die manchen Brückenfan
grübeln lässt. Die Landeshauptstadt hat letztlich zwei Möglichkeiten:
Sie kann die alten Pläne ausgraben und einen Tunnel bauen oder sie
fragt den Bürger, was ihm wichtiger ist: Brücke oder Welterbe-Titel.
Das wäre die sauberste Lösung.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung