Showdown im Advent
Archivmeldung vom 28.10.2020
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.10.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttWie passt das zusammen? Bundeskanzlerin Angela Merkel raunt von Unheil, das in der Corona-Pandemie drohe, Spaniens Regierung ruft den Notstand gleich bis Mai kommenden Jahres aus - Europas Großbanken aber zeigen sich bei Präsentation ihrer Quartalszahlen bestens aufgelegt und scheinen es kaum abwarten zu können, wieder Dividenden zu zahlen. So stellte Santander-Chairwoman Ana Botín am Dienstag eine Ausschüttung in Aussicht, und auch HSBC kündigte eine "konservative" Dividende an, sofern die Aufsicht dies erlaube.
Beide Institute haben fürs Erste nicht viel zu verlieren, wenn sie auf diese Weise bei den Investoren gut Wetter machen. Am Management beider Banken jedenfalls, so die Botschaft, wird es nicht gelegen haben, sollten die Europäische Zentralbank bzw. die Bank of England ihren Appell zum Verzicht auf Dividendenzahlungen jeweils im Dezember über den Jahreswechsel hinaus verlängern - allenfalls an Problembanken andernorts.
Die Lage der Aufseher macht dies noch prekärer als ohnehin schon. Denn falls sich die Pandemie in Europa nicht bald merklich abschwächt, wofür momentan rein gar nichts spricht, steuern der Single Supervisory Mechanism bzw. die Prudential Regulation Authority auf ein Dilemma zu: Heben sie den Dividendenbann auf, müssen sie sich dafür verantworten, nicht alles für die Stabilität der Institute in der Krise zu tun. Dehnen sie aber das Moratorium ein weiteres Mal aus, wird es strategisch, nicht zuletzt aber auch rechtlich haarig. Auf glasklare Rechtsgrundlagen stützen sich die Aufseher generell nicht so gerne, wie immer wieder zu hören ist: Die Kontrolleure setzen lieber auf Empfehlungen und auf die Einsicht derer, denen sie im Zweifel das Leben schwer machen können. Je länger die Aufseher einen Verzicht auf Ausschüttungen fordern, umso eher dürften die Banken überprüfen wollen, wie rechtssicher die Empfehlung diesmal ist.
Denn auf Sicht haben auch die Institute sehr wohl etwas zu verlieren: ihre Eigenkapitalgeber. Wenn schon Negativzinsen den Banken das Massengeschäft erschweren und die Kurse weit unter Buchwert dümpeln, wollen Anleger wenigstens auf Dividenden zählen können. Das Risiko eines Investorenstreiks dürfte auch den Aufsehern bewusst sein. Doch wiegt es schwerer als die Verheerungen der Pandemie? Vor dem Showdown im Advent wissen alle Streitparteien: Covid-19 wird die Qualität der Aktiva in den Banken kontinuierlich verschlechtern, und noch weiß niemand, wie lange.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Bernd Neubacher