Westdeutsche Zeitung: Abgestrafte Arbeitslose
Archivmeldung vom 06.01.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.01.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSchon im Vorstellungsgespräch macht der Bewerber klar, dass er früh morgens noch nicht sehr belastbar ist. Der nächste erscheint gleich mit einer Schnapsfahne. Solche Horrorgeschichten, die angeblich belegen, dass viele Arbeitslose es sich in der Hartz-IV-Versorgungswelt bequem eingerichtet haben, hat jeder gehört. Und einige haben sie auch wirklich erlebt.
Pauschalieren darf man solche Erfahrungen nicht. Das wäre unverschämt
- all jenen Menschen gegenüber, die verzweifelt einen Job suchen.
Wobei es prinzipiell richtig ist, wenn die Arbeitsverwaltung Härte
zeigt. Wenn jemand offensichtlich nicht arbeiten will, kann und soll
man ihm auch die Leistungen kürzen. So ist es auf den ersten Blick
bei der immensen Zahl von 500 000 Menschen geschehen. Doch die, die
da abgestraft wurden, fallen bei weitem nicht alle in die
Verweigerer-Kategorie. Viele haben sich zum Beispiel nur nicht
schnell genug - etwa sofort nach der Kündigung - arbeitslos gemeldet,
weil sie die aktuelle Gesetzeslage nicht kannten. Die Keule, die die
Arbeitsverwaltung schwingt, ist also gar nicht so groß, wie sie auf
den ersten Blick wirken mag.
Für die Zukunft kann es nur im Sinn aller sein, wenn die Arbeitsämter weiterhin kritisch hinschauen und in berechtigten Fällen auch zum Mittel der Leistungskürzung greifen - verbunden mit Förderung aller Art für jene, die diese gerne annehmen. Denn auch in der Arbeitsmarktpolitik muss es das Ziel sein, die Transferzahlung in unserer Gesellschaft nicht weiter auszuweiten. Unter diesem Gesichtspunkt stimmt auch der gestrige Vorstoß aus SPD-Kreisen, über eine Art "negative Einkommenssteuer" nachzudenken, eher skeptisch. So etwas könnte nur unter ganz engen Spielregeln sinnvoll sein, die die Empfänger zur Arbeit verpflichten.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung