Westdeutsche Zeitung: Direktwahl des Bundespräsidenten
Archivmeldung vom 26.06.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs war eine langweilige Fernsehsendung. Es war ein langweiliger Gast. Und doch lösten einige Minuten im letzten Christiansen-Talk eine heftige Debatte in Deutschland aus. Obwohl dem Thema eigentlich der Neuigkeitswert fehlt.
Denn Horst Köhler ist nicht der erste Politiker - und vor allem nicht
der erste Bundespräsident -, der die Frage der Direktwahl für die
Position des ersten Mannes im Staat stellt. Johannes Rau und Richard
von Weizsäcker taten das auch schon. Aktuell plädiert Guido
Westerwelle dafür. Und auch die Mehrheit der Bevölkerung scheint die
Direktwahl als Chance auf mehr Einflussnahme zu verstehen, also als
Schritt zu einer direkteren Demokratie.
Angesichts der Ohnmacht, die die meisten Bürger beim Verfolgen - und
eben nicht Mitgestalten - von politischen Prozessen empfinden, ist
diese Haltung verständlich. Beim Initiator selbst ist der Wunsch erst
recht plausibel. Zu oft musste Köhler erleben, dass der offizielle
Chef des Landes kaum wirklich etwas bestimmen kann. Er darf formal
das Parlament auflösen, im Extremfall mal einem Gesetz die
Unterschrift versagen und sich ansonsten mit mehr oder minder
mahnenden oder aufrüttelnden Reden zu Wort melden. Das scheint ihm
nicht genug zu sein. Hat er also aus Frust seinen Vorschlag gemacht?
Ein direkt gewählter Präsident hätte eine ganz andere Legitimation
und damit einen höheren Stellenwert. Andere Länder, beispielsweise
Frankreich, machen das vor. Für eine Direktwahl bedürfte es
allerdings einer Verfassungsänderung, für die es wohl keine
politische Mehrheit geben wird. Insofern ist Köhlers Vorschlag
chancenlos. Er würde auch nicht zur Bundesrepublik passen, die im
Grundgesetz die Rolle des Staatsoberhauptes bewusst symbolisch und
repräsentativ festgelegt hat. Eine Rolle dabei spielten schlechte
Erfahrungen aus der Weimarer-Republik. Diese liegen zwar lange
zurück, führen aber immer noch dazu, dass Deutschland von einer
Direktwahl die Finger lassen wird. Und Köhler selbst tritt ja den
Beweis an, dass ein nach jetzigem Prozedere gefundenes
Staatsoberhaupt ganz gut funktionieren kann. Er ist nicht mächtig,
aber ein weitgehend geachteter Repräsentant, der sich auch mal
unbequem und aneckend zu Wort meldet. So kann es bleiben.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung