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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Prognosen 2012

Archivmeldung vom 31.12.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Blick nach vorn gehört zum Jahreswechsel. Noch bevor 2011 vorüber ist, fragen wir uns: Was kommt jetzt? Wie wird das neue Jahr? Was mag 2012 bringen? Rastlos ist unser Leben geworden, auch an den Tagen zwischen den Jahren. Prognosen haben Konjunktur, extreme Prognosen haben Hochkonjunktur. Schrille Vorhersagen gelten vielen noch immer als besser verkäuflich. Wir Journalisten haben einen nicht unerheblichen Anteil daran.

Je lauter der Gong schlägt, desto besser ist er zu hören - meinen wir jedenfalls. Auf der Achterbahn der Gefühle ist es von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt oft nicht weit. Im Leben ist es zum Glück meistens anders. Eine Sache ist selten schwarz oder weiß, sondern grau. Das mag unspektakulär sein, bleibt aber trotzdem wahr. Und weil die allermeisten Menschen um diese Wahrheit wissen, gibt es immer auch wieder genug Leser, die uns an diese Wahrheit erinnern.  Zum kritischen Blick nach vorn, zur besorgten Prognose, ja, zur berufsbedingten Skepsis der Medienleute gehört es auch, sich selbst und die eigene Arbeit an nicht weniger scharfen Maßstäben zu messen und selbstverständlich auch von anderen messen zu lassen. Das ist nicht immer bequem, aber dringend notwendig. 2011 gab dafür wahrlich ausreichend Anlass. Nicht die Journalisten haben Karl-Theodor zu Guttenberg den Stift gehalten bei seinem Plagiat von Doktorarbeit. Doch Journalisten waren es, die den Freiherrn samt Frau in so schwindelerregende Höhen geschrieben haben, dass der Absturz kaum glimpflicher hätte ausgehen können. Nicht die Journalisten haben die Demokratiebewegungen in den arabischen Ländern gestoppt. Doch Journalisten hatten zuvor so laut und euphorisch mitgejubelt, dass es viele nun nicht fassen können, dass dem Arabischen Frühling eher ein bitterkalter Winter als ein strahlender Sommer zu folgen scheint.  Und schließlich, als medialer Dauerbrenner quasi: Nicht die Journalisten haben die Euro-Krise verursacht, aber viele Journalisten haben den Euro auch 2011 wieder am Ende gesehen. Dabei ist er noch immer erstaunlich lebendig. Gleichmaß ist ein sehr rares Gut geworden. Übertreibungen sind an der Tagesordnung, Erwartung und Ergebnis klaffen so zwangsläufig auseinander. Und wenn es dann nicht so gut läuft wie prognostiziert, sind wir schnell enttäuscht. Geht es aber nur weniger schlecht aus als befürchtet, sind wir schon aus dem Häuschen. Beides ist menschlich, gut aber ist es nicht. Gut ist es, der eigenen Urteilskraft und dem gesunden Menschenverstand mindestens ebenso zu vertrauen wie den zahllosen Experten. Gut ist es, ihre Vorhersagen zu hören und sie da, wo sie das eigene Leben betreffen könnten, auch ernst zu nehmen. Gut aber ist es auch, Prognosen nicht zu ernst zu nehmen. Denn das Allerschönste an der Zukunft ist ja, dass wir sie noch gestalten können. Auch 2012 wieder.

Quelle: Westfalen-Blatt (ots)

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