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Leipziger Volkszeitung zu Fußball-EM

Archivmeldung vom 07.06.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.06.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Viele Autos sind wieder mit schwarz-rot-goldenen Fahnen geschmückt, die Wirte freuen sich auf größeren Umsatz und fast das ganze Land diskutiert erneut die T-Frage. Wie vor zwei Jahren, als die Fußball-Weltmeisterschaft die Nation in Atem hielt und die Entscheidung zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann der Tagesschau sogar die Spitzenmeldung wert war.

Damals schien der deutsche Fußball wie durch ein Wunder genesen, als er fast ins Finale vorgedrungen wäre. Dabei war er arg ramponiert ins Turnier gegangen, hatte bei der Europameisterschaft zuvor ein klägliches Bild abgegeben, so dass nichts auf ein späteres Sommermärchen hindeutete. Jetzt ist das anders. Das Selbstbewusstsein der Mannschaft ist enorm, der deutsche Adler auf der breiten Brust der Spieler wirkt noch größer als gewohnt. Sie zählen zu den Favoriten, was auch deshalb Zeichen einer nahezu unglaublichen Entwicklung ist, weil die Vorgänger zuletzt 1996 bei einer EM ein Spiel gewonnen haben. Das Turnier in England endete vor zwölf Jahren mit dem Titelgewinn, der nach Meinung jedes fünften Deutschen auch 2008 gelingen wird. So schlecht sind die Aussichten tatsächlich nicht, durch eine überzeugende Qualifikation haben sich die Ballack & Co. Vertrauen bei ihren Anhängern und Respekt bei der Konkurrenz erarbeitet. Da fällt es auch nicht sonderlich ins Gewicht, wenn Vereinsmannschaften aus der Bundesliga auf europäischer Ebene keine Rolle mehr spielen, sobald die Final-Entscheidungen anstehen. Mit Jürgen Klinsmann hat sich die Überzeugung verbreitet, dass die Nationalelf Berge versetzen kann - oder zumindest erklimmen. Unter seinem Nachfolger Joachim Löw ist der Schwung erhalten geblieben, sind traditionelle deutsche Klagelieder über den Zustand des deutschen Fußballs verpönt. Wer das deutsche Trikot trägt, muss zum Gipfel wollen. Er muss auch bereit sein, sich für seinen Kollegen zu zerreißen. Ab Sonntag wird sich zeigen, wie berechtigt der allgemein zur Schau getragene Optimismus tatsächlich ist und ob Löw die richtigen Personalentscheidungen getroffen hat. Der Bundestrainer scheint im Moment unantastbar, wovon auch Rudi Völler ausging, als er vor vier Jahren die Europameisterschaft in Angriff nahm. Am Ende war der beliebte "Ruuudi" so frustriert, dass er aufgab. Womit einmal mehr bewiesen ist, wie unwichtig frühere Ergebnisse vor dem aktuellen Turnier sind. Es ist nicht damit zu rechnen, dass Löw Völlers Schicksal droht. Dafür dürfte seine Mannschaft tatsächlich zu stark sein, als dass wie in Portugal ein Einbruch befürchtet werden müsste. Doch eine Niederlage kann im Sport freilich immer passieren, vielleicht auch am Sonntag zum Auftakt gegen Polen. Schön wäre sie auch deshalb nicht, weil die Kampagne einiger polnischer Medien gegen die deutsche Mannschaft unterhalb der Gürtellinie war. Um so wohltuender die Distanzierung der polnischen Offiziellen, die der Vorfreude auf die EM sehr gut tat.

Quelle: Leipziger Volkszeitung

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