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WAZ: Rüttgers-Vorstoß - Vom Arbeiter- zum Rentner-Führer

Archivmeldung vom 21.04.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.04.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Eine der Geschichten aus der politischen Kulisse geht so: Es ist die erste Sendung von Anne Will im November 2007, zu Gast sind der SPD-Chef und Arbeiterführer qua Amt, Kurt Beck, sowie NRW-Ministerpräsident und Arbeiterführer qua Selbstinthronisierung, Jürgen Rüttgers (CDU).

Die Sendung verlief so: Beck versucht über den linken Flügel zu stürmen und muss ein ums andere Mal feststellen: Rüttgers ist schon da. Irgendwann nach dieser Sendung, heißt es in Düsseldorf, habe sich Beck für den Vorstoß zur Verlängerung von Arbeitslosengeld I entschieden. Und der Hartz-Generalrevisor Rüttgers war wieder eher am Ziel. Schließlich hatte die NRW-CDU schon vor Jahren diese Änderungen angemahnt.

Und jetzt holt Rüttgers nochmal aus, ganz offensichtlich, um das Prädikat Arbeiterführer durch das des Rentnerführers zu ergänzen. Es könne doch nicht sein, dass einer, der 35 Jahre lang geringe Beiträge einzahlt, nur so viel Rente bekommt wie einer, der gar nichts eingezahlt hat. Wie plausibel - und doch so populistisch.

1. ist doch maßgeblich die NRW-CDU mit ihrem damaligen Sozialminister Blüm schuld daran, dass die Rentenversicherung als Arbeitsmarktinstrument (Frührente) missbraucht wurde. Schlimmer noch: Das Blüm'sche Wahlplakat von 1986 - "Die Rente ist sicher" - wirkt bis heute narkotisierend - auf Betroffene und Politiker.

2. zerbricht sich Rüttgers heute den Kopf der künftigen Rentnergeneration. Das ist löblich, für einen Politiker aber ungewöhnlich, zumal dann, wenn das Kassenproblem über höhere Steuern gelöst werden soll. Das ist - anders als eine Umstellung auf höhere private Sparanteile - schnell zu haben.

3. ist das Thema Altersarmut der Renter zweifellos wichtig, in der Dimension aber kleiner als das Armutsproblem der Familien mit Kindern und Alleinerziehenden. Der Armutsbericht der Bundesregierung wird laut Spiegel jeden vierten Haushalt mit Kindern, jeden zweiten Alleinerziehenden unter der Armutsgrenze aufführen. Rentner sind zu zwölf Prozent betroffen.

4. öffnete der Rüttgersvorschlag, alle zusätzlichen Ausgaben aus der Rentenkasse mit Steuern zu bezahlen, der politischen Willkür Tür und Tor. Rüttgers will Steuerzahler für politische Wohltaten blechen lassen - und kapert dazu die Rentenversicherung, die er in eine undurchsichtige Umverteilungsmaschine verwandelt.

Nein, das Thema hat Konjunktur allein mit Blick auf den Wahlkampf 2010.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Thomas Wels)

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