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Lausitzer Rundschau: Zählung der Wutbürger

Archivmeldung vom 10.05.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.05.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die große Volkszählung 1981 scheiterte an den Wutbürgern, von denen es damals noch mehr gab als heute. Und auch bei der deutlich abgespeckten Durchführung 1987 war der Widerstand der Boykotteure erheblich. Der Staat wollte wissen, wie groß das Staatsvolk war, doch das Volk vermutete andere Absichten dahinter, nämlich Kontrolle und Überwachung. Big Brother. Der Fragebogen war allerdings auch entsprechend.

Die damalige Anti-Volkszählungsbewegung war im Westen Deutschlands im Grunde die Geburtsstunde des Datenschutzes und bescherte den Bürgern das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, wie es das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil formulierte. Dieser Widerstand hat sich tatsächlich gelohnt. Am Montag war der Stichtag für den Zensus 2011, also der Tag, von dem die Statistiker wissen wollen, wie viele Deutsche an ihm exakt in wie vielen Häusern, Heimen oder Wohnungen leben, welcher Religion sie angehören, welche Qualifikation sie haben und welcher Arbeit sie an welchem Ort nachgehen. Das Ziel ist das Gleiche wie damals, doch die Verantwortlichen haben aus dem Widerstand der 80er-Jahre offenbar erheblich gelernt. Sie kooperierten schon in der Vorbereitungsphase mit den Kritikern und halten das Ausmaß der Befragung auf niedrigem Niveau, indem sie amtliche Statistiken mit heranziehen. Sie garantieren zudem, dass der Staat von den Angaben der Einzelnen nichts erfährt und lassen die sensible Frage nach der Religion freiwillig beantworten. Zwar gibt es auch jetzt Bedenken, etwa an der vierjährigen Aufbewahrung der Daten, doch klingen die eher wie kleinteilige Mäkelei. Wenn es keinen bewussten Gesetzesverstoß der Statistiker gibt, den man nicht unterstellen kann, dann ist diese Volkzählung datenschutztechnisch gesehen ziemlich sauber. Wer sich seiner Auskunftspflicht trotzdem verweigert, muss schon ein starkes Feindbild vom Staat haben, das an Irrationalität grenzt und auch destruktiv ist. Denn dies ist der Staat aller Bürger. Es ist sinnvoll, dass wenigstens alle 25 Jahre die Bewohnerstatistiken von Bund, Ländern und Gemeinden auf den neuesten Stand gebracht werden, damit die Planer von Infrastruktur und Sozialeinrichtungen exakte Basisdaten haben. Das dient allen. Was die informationelle Selbstbestimmung heutzutage wirklich gefährdet, wird hingegen auch von den engagiertesten Volkszählungsgegnern ständig selbst ziemlich bedenkenlos genutzt: Das Handy, das jede Bewegung registriert, oder der Computer, der alle Suchanfragen zu einem Profil persönlicher Interessen bündeln kann. Anonym, privatwirtschaftlich und außerhalb jeder Kontrolle.

Quelle: Lausitzer Rundschau

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