Arbeitsklima im Tourismus weiter kritisch
Archivmeldung vom 19.04.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Tourismus hat es noch immer nicht geschafft, Strukturprobleme für seine Beschäftigten zu überwinden. Weiterhin bildet er eine Fluchtbranche, der viele den Rücken kehren wollen. "Jeder Dritte im Tourismus Tätige sieht die berufliche Zukunft in einem anderen Betrieb oder überhaupt in einer anderen Branche", berichtet Georg Michenthaler vom Institut für empirische Sozialforschung IFES am gestrigen Montag im Rahmen einer Studienpräsentation. Gewerkschafter warnen vor der Verschärfung des Arbeitskräftemangels und fordern faire Entlohnung und mehr Wertschätzung.
Im Auftrag der Gewerkschaft vida und der Arbeiterkammer Wien hat das IFES den Arbeitsklimaindex Österreichs speziell für den Tourismus ausgewertet. "Während die Arbeitszufriedenheit seit 2000 im gesamten Arbeitsmarkt stieg, sank sie im Tourismus und hat nun deutlichen Rückstand. Unzufrieden ist man hier besonders mit dem fehlenden Status, mit geringen Sozialleistungen, schlechter und familienfeindlicher Zeiteinteilung, fehlenden Karrierechancen sowie mit häufigem Stress und Zeitdruck", berichtet Michenthaler.
Weiterhin ist die Branche weiblich, sehr jung, unterdurchschnittlich qualifiziert und besitzt mit 30 Prozent einen hohen Anteil an Beschäftigten mit Migrationshintergrund, verdeutlicht die repräsentative Auswertung von 800 Arbeitnehmern im Tourismus. Die Beschäftigten verdienen nur drei Viertel des Durchschnittsgehalts aller Branchen, Frauen auch davon nur drei Viertel. Fast jeder Zweite kann davon "gerade noch" seine Existenz bestreiten, jeder Sechste "nicht". Zugang zu Trinkgeld hat grundsätzlich nur jeder Fünfte in der Branche, doch auch dieses fällt sehr unterschiedlich aus.
Arbeitswillige bald Mangelware
Langjährige Erfahrung oder Qualifikation rentieren sich im Gast- und Hotelgewerbe nur wenig. "Arbeitnehmer ab 45 Jahren verdienen hier nur 20 Prozent mehr als unter 30 Jahren, während es anderswo im Schnitt 38 Prozent sind. Ähnliches gilt für Maturanten oder Akademiker", so Michenthaler. Die Folgen sind hohe Fluktuation und Instabilität - letztere vor allem aufgrund hoher saisonaler Arbeitslosigkeit, von der jeder Siebte im Vorjahr betroffen war.
"Trotz raffiniertem Marketing, Arbeitskreisen und Zukunftsplänen wird der Tourismus ein schlimmes Ende nehmen - falls sich nichts ändert", so die Analyse von vida-Vorsitzendem Rudolf Kaske. Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung müsse Planbarkeit erlauben und Qualifizierung sollte vorangetrieben werden - darunter auch die Fremdsprachenkompetenz. "Das Angebot an jungen Arbeitskräften wird angesichts der Demografie knapper, jedoch auch das Reservoir der Migranten als Saisonarbeiter. Denn die östlichen Nachbarn haben bei Löhnen und Arbeitsbedingungen sehr aufgeholt", warnt der Gewerkschafter.
Kurzurlaube erfordern mehr Zimmerreinigungen
Aktuelle Trends im Touristenverhalten weisen auf eine Kürzung der Aufenthaltsdauer - derzeit hält sie bei 3,6 Tagen - und eine künftig höhere Bedeutung der älteren, noch aktiven Reisenden. Beides sind neue Herausforderungen für die Branche, so Kaske gegenüber pressetext. "Der kürzere Aufenthalt bedeutet Mehraufwand - etwa in der Zimmerreinigung oder für das nötige Anlocken von entsprechend mehr Reisenden. Verschiebungen in der Zielgruppe sind zwar Chancen, benötigen jedoch auch entsprechende Qualifikationen."
Quelle: pressetext.redaktion Johannes Pernsteiner