Warum es den Bierbauch nicht gibt und Bier aus der Dose besser schmeckt
Archivmeldung vom 16.09.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHopfen und Haschisch sind engste Verwandte, Bier aus der Dose schmeckt besser als aus der Flasche, und den Bierbauch gibt es gar nicht: Das behaupten renommierte Bier-Experten in dem Dokumentarfilm "Der Bier-Film", der zum Beginn des 200. Oktoberfestes erscheint.
Braumeister, Chemiker, Mediziner und Deutschlands Bier-Professoren hat der Hamburger Filmemacher Christian Gierke für die Dokumentation "Der Bier-Film" befragt und von den Bier-Experten einige ungewöhnliche Antworten erhalten.
Bier schmeckt am besten aus der Dose
Der frische Biergeschmack bleibt am besten erhalten, wenn das Bier vor Licht und Sauerstoff geschützt ist. Prof. Frank-Jürgen Methner vom Lehrstuhl für Brauerei in Berlin erklärt: "Braune Flaschen schützen das Bier besser, grüne nicht so gut, und weiße am schlechtesten. Die Kunststoffdichtung im Kronkorken lässt mit der Zeit sogar Sauerstoff ins Bier. Die Dose dagegen ist fast hermetisch abgeschlossen. Daher ist Bier eigentlich am besten in der Dose geschützt, weil am wenigsten Sauerstoffzutritt stattfindet, und das Bier komplett gegen Licht geschützt ist."
Bierkenner sollten sich die Dose am besten als sehr kleines Fass vorstellen: Bier frisch vom Fass kommt schließlich schon lange aus Metallbehältern.
Hanf und Hopfen
Hopfen ist ein Hanfgewächs und botanisch der engste Verwandte von Cannabis. Der Lebensmittelchemiker und Autor Udo Pollmer bestätigt: "Im Hopfen sind pharmakologisch interessante Substanzen, die auch auf die Psyche wirken. Hopfen wurde früher ja auch geraucht. Wenn sie wissen, dass Haschisch und Hopfen so nahe verwandt sind, dann hat es seine heitere Seite, wenn an den Biertischen über den Haschisch-Konsum philosophiert wird."
Biertrinker müssen sich aber keine Sorgen machen, heute enthalten die meisten Biere nur noch eine geringe Dosis Hopfen.
Gibt es den Bierbauch?
Die wichtigste Frage, nämlich die nach dem Bierbauch, beantwortet Prof. Dr. Manfred Walzl an der Landesklinik Sigmund Freud in Graz: "Der Bierbauch wurde immer mit dem Biertrinken assoziiert. Es gibt aber drei ganz große Studien aus Italien, aus Tschechien und aus England, die nachweisen konnten, dass der Biertrinker nicht zum Bauch neigt, wenn er mäßig genießt."
Ist Bier aus medizinischer Sicht gesund?
Prof. Dr. Manfred Walzl: »Die Studien sind extrem vielfältig. Man weiß heute, dass ein regelmäßiger, aber mäßiger Bierkonsum mit einer verminderten Sterblichkeit an Herzinfarkten einhergeht. Andere etwas skurrile Geschichten kommen aus Japan, wo man gesehen hat, Biertrinker sind intelligenter. Eine andere große Untersuchung beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Bieres auf die Gedächtnisleistung insgesamt. Ganz große Studien in den USA oder Japan, wo man deutlich bemerkt hat: Biertrinkende sind sozial integrierter, aber auch geistig leistungsfähiger.«
Macht das Deutsche Reinheitsgebot das Bier besser?
Udo Pollmer: »Das Reinheitsgebot ist zunächst einmal eine intelligente Werbeidee. Der Deutsche steht auf Reinheit. Aber das hat nicht dazu geführt, dass dieses Bier deshalb automatisch besser war. Schauen sie nach Belgien, oder in die Tschechei, oder nach Österreich: Die können alle hervorragende Biere brauen, und die können teilweise noch bessere Biere brauen als wir, haben aber dieses Reinheitsgebot nicht.«
Dem ursprünglichen Reinheitsgebot nach sind übrigens nur Hopfen, Gerste und Wasser erlaubt. Sowohl Weizen als auch Hefe sind im Reinheitsgebot eigentlich verboten: Braumeister Robert Boser: »Weizen war nämlich zu dieser Zeit sehr wertvoll. Weizen wurde zum Backen gebraucht, um die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen und sollte nicht sozusagen fürs Brauen verschwendet werden. In den fürstlichen Brauhäusern wurde natürlich auch damals weiter mit Weizen Bier gebraut. Das Reinheitsgebot galt sozusagen für die breite Bevölkerung und nicht für die Fürsten selbst.« Auch die Hefe wird im Reinheitsgebot von 1516 nicht genannt – sie wurde erst im 19. Jahrhundert von Louis Pasteur entdeckt.
Welche besseren Zutaten verwenden Brauer für ihr privates Bier?
Udo Pollmer: »Es gibt Aromahopfen und es gibt Bitterhopfen. Bei uns wird vor allem der billige Bitterhopfen verwendet. Der Hopfenhandel kann in Deutschland den guten, teuren, edlen Hopfen, den Aromahopfen, nur ganz schwer verkaufen. Und wenn, dann holen das die Brauer für ihre privaten Chargen, da nehmen sie's natürlich. Für eine gute Braukunst ist es kennzeichnend, dass man mit viel Hopfen ein Bier braut, das wenig nach Hopfen schmeckt. Wir haben es anders herum gemacht, weil der Hopfen eben das teuerste ist. Wir haben gesagt, wir müssen den Hopfen rausbringen, es soll nur ein bisschen danach schmecken. Und wenn es ein bisschen bitterer ist, dann nennen wir das gut gehopft.«
Wieviel Bier ist eigentlich gesund?
Prof. Dr. Manfred Walzl: »Einerseits müsste man sagen, Alkohol ist ohnehin verboten. Auf der anderen Seite wissen wir, es gibt wirklich gesundheitsfördernde Wirkungen. Unserem wissenschaftlichen Kenntnisstand nach könnte man sagen: Ein Liter Bier für den Mann pro Tag ist erlaubt, vorausgesetzt die Menge wird über den Tag verteilt, und sie genießen vorzugsweise zum Essen. Die Frau hat eine andere Physiologie, das heißt sie kommt mit dem Alkohol nicht so gut zu Rande, und sollte sich deshalb auf einen halben Liter pro Tag beschränken.«
Wie ein Bayer in Böhmen das deutsche Bier erfunden hat:
Der legendäre Bierkönig Gambrinus soll der Sage nach das erste Bier gebraut haben. Doch wenn es einen Erfinder des Bieres gibt, dann ist es ein junger Braumeister aus Vilshofen in Niederbayern:
Braumeister Robert Boser: »Erstmalig gebraut wurde ein Bier diesen Typs im Jahre 1842, durch den bayerischen Braumeister Josef Groll, damals in Böhmen, in der Stadt Pilsen. Das besondere war, dass es ein helles Bier war, im Vergleich zu den Bieren die bis dahin gebraut wurden, die alle wesentlich dunkler waren, und es war ein hopfenbetontes Bier. Dieses helle Lagerbier war der Vorreiter nicht nur in Deutschland für das Pils, sondern für sehr viele helle Biere, die heute weltweit getrunken werden.«
Für den weltweiten Erfolg der hellen Lagerbiere war übrigens noch eine technische Erfindung notwendig:
Frank-Jürgen Methner: »Früher gab es eigentlich nur obergärige Biere. Das untergärige kam eigentlich erst auf, nachdem Carl Linde die Kältemaschine entwickelt hatte. Dann ist man dazu übergegangen, auch untergärige Biere herzustellen.« In Thurnau, in der Nähe von Kulmbach in Bayern, wird 1842 Carl von Linde geboren. Als Professor für Maschinenbau wird er eine Erfindung machen, die das Bierbrauen auf der ganzen Welt revolutioniert. In einem Aufsatz veröffentlicht Linde seine Idee für eine Kältemaschine. In der Nähe von Wien, in der Stadt Schwechat, wird der Brauereibesitzer Anton Dreher darauf aufmerksam. Er fördert die Entwicklung und einige Jahre später installiert Linde in Anton Drehers Brauerei den Prototyp einer Kältemaschine. Es ist die erste Brauerei der Welt mit künstlicher Kühlung. Das beliebte helle untergärige Bier kann bisher nur im Winter hergestellt und kaum gelagert werden. Nun wird es in Schwechat das ganze Jahr gebraut, gelagert und ausgeliefert. Die Brauerei wird bald eine der größten der damaligen Welt.
Der Bier-Film auf DVD
Der Bier-Film auf DVD ist ab dem 18. September 2010 überall im Buchhandel erhältlich.
Gesamtspielzeit ca. 90 Minuten (inkl. 45 Minuten Bonusmaterial).
Sprachen: Deutsch/Englisch/Bayerisch, Untertitel: Deutsch/Englisch
Farbe/PAL/16:9, Infoprogramm nach §14 JuSchG (FSK)
Bonusmaterial auf der DVD:
(1) Hopfen und Haschisch
(2) Das Reinheitsgebot (Interview mit Udo Pollmer)
(3) Wie gesund ist Bier?
(4) Die Chemie des Brauens
(5) Extra-Tonspur: »Bayerische Originalfassung« (mit deutschen Untertiteln)
Buch und Regie Christian Gierke
Kamera Ulrich Haiss
Sprecher Christian Hanreich
Musik Michael Dmitrijew
Interviews Prof. Dr. Werner Back
Robert Boser
Georg Bürzle
Dr. Johannes Mayer
Prof. Dr. Frank Methner
Udo Pollmer
Prof. Dr. Hasso Spode
Prof. Dr. Manfred Walzl
Englische Fassung Brian Corrigan
James Spencer
Quelle: Film Europa, Hamburg