August Zirner: "Ich trage die Shoa als Schatten in mir"
Archivmeldung vom 16.11.2023
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Freigeschaltet durch Mary SmithAugust Zirner zählt zu den wandlungsfähigsten Schauspielern. Aktuell ist er in der Verfilmung von Robert Seethalers Roman "Ein ganzes Leben" im Kino zu sehen. Darin spielt Zirner einen einfach gestrickten Seilbahnarbeiter in den österreichischen Alpen, der auf sein Leben zurückschaut.
Auf rbb 88.8, der Berliner Landeswelle des rbb, wünschte er sich, dass das Publikum mit einem Gefühl der Dankbarkeit aus dem Film kommt.
"Dankbarkeit, am Leben zu sein. Dankbar für das Geschenk, dass man eine gewisse Zeit auf der Erde hat, eine schöne Verantwortung, sein Leben zu leben!"
Zirner wurde als einziger Sohn österreichischer Emigranten in den USA geboren. In der Sendung 100% Promi verriet er, dass er von der Shoa bis zu seinem 42. Lebensjahr nichts gewusst habe.
"Meine nach Amerika emigrierten Eltern haben mich damals nicht mit der brutalen Realität konfrontiert. Sie wollten nicht, dass ich eine Verletzung aus der Historie davontrage (...) Vielleicht musste ich erst so alt werden, um den Abgrund der Shoa überhaupt zu verstehen und zu merken, dass dies ein Teil meiner eigenen Biografie ist, die mich prägt, verletzt und auch verunsichert."
Zur aktuellen politischen Lage in Gaza sagte er: "Ich verstehe nicht mehr, was in der Welt passiert. Ich glaube nicht an Vergangenheitsbewältigung, aber an Vergangenheitsschau, an Erinnerungskultur. Wir kommen nicht umhin, uns mit unseren biografischen Verletzungen auseinanderzusetzen. Ich trage die Shoa als Schatten in mir."
Der immer sichtbarer werdende Antisemitismus mache Zirner Angst. Er habe regelrechte Alpträume. "Ich träume wirklich, dass ich verfolgt werde", sagte er.
Seiner Überzeugung nach müssten die Menschen jetzt mehr denn je miteinander ins Gespräch kommen. Zirner sagt: "Die Menschheit besteht aus Menschen, und wenn Menschen verlernen, miteinander zu kommunizieren, entsteht das, was gerade vielerorts passiert."
"Ein ganzes Leben" mit August Zirner läuft seit dem 9. November in den Kinos.
Quelle: rbb - Rundfunk Berlin-Brandenburg (ots)