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„Mein Gott! Warum hast Du mich verlassen!“ | Von Paul Clemente

Freigeschaltet am 22.04.2025 um 06:31 durch Sanjo Babić
Bild: apolut / Eigenes Werk
Bild: apolut / Eigenes Werk

“Die Lyrische Beobachtungsstelle” von Paul Clemente: „Eli! Eli! lama sabachthani!“ Mein Gott! Mein Gott! Warum hast Du mich verlassen! - Das hauchte oder schrie Christus kurz vor seinem Kreuzestod. Die rhetorische Frage eines grenzenlos Verzweifelten. Der tiefste Abgrund tut sich in ihr auf. Ihr widmete die Philosophin Lou Andreas Salome 1896 einen Essay. Titel: „Jesus der Jude“.

Clemente weiter: "Darin skizziert die Autorin das Gottesbild Jesu: Das eines liebevoll sorgenden Vaters. Einem, der die seinigen nicht im Stich lässt. Selbst nach der Verurteilung durch Pilatus, selbst beim Gang nach Golgatha, selbst, als die Römer ihm die Nägel durchs Fleisch schlugen, sogar noch, als er schon am Kreuz hing, hielt Jesus an diesem Glauben fest.

Denn immer noch war eine Wunderrettung möglich. Sie musste einfach geschehen. Wie könnte ein Gerechter im Elend sterben, und seinen Feinden erliegen? Sicher würde Gott bald eingreifen. Aber nichts geschah. Schließlich, als Jesus die Todesnähe spürte, da dämmerte ihm: Niemand wird mehr helfen! Auch kein Gott. Wo ist der überhaupt? Vielleicht gibt es ihn gar nicht! Diesem Schock entsprang der Satz: „Mein Gott! mein Gott! warum hast Du mich verlassen?“ Für Lou Andreas-Salome stand fest: Jesu Tod muss über alle Maßen furchtbar gewesen sein. Nicht bloß wegen der Schmerzen und der Angst. Sondern auch, weil er im Angesicht des Todes seinen Glauben verlor.

Im Christentum wurde dieser Aufschrei zum Symbol radikaler Verlassenheit, die der Sterbende zu ertragen hat. Mehr noch: Manchem Mystiker galt der Blutbalken als Symbol des menschlichen Daseins überhaupt. Das Kreuz Christi, das war die Natur. Alle Lebewesen sind Gekreuzigte. Schließlich ist die Welt voller Grauen: Gegenseitigem Auffressen, Krankheiten und dem Wissen um die Vergänglichkeit: Bedenke o Mensch, dass Du Staub bist, und zum Staub zurückkehren wirst. Im Kreuz hat das Christentum das stärkste Symbol für die tragische Seite menschlichen Existenz gefunden. Jesu Tod war nicht das sanfte Entschlafen des 80jährigen Buddha, nicht der Tod nach heldenhaftem Kampf. Nein, es war eine Exekution. Mit einem Maximum an physischen und psychischen Schmerz. Freilich war Jesus nicht der einzige, der damals den Kreuzestod durchlitt. Vor zweitausend Jahren hatten die Römer Palästina komplett unterworfen. Aber die Bevölkerung leistete erbitterten Widerstand. Anschläge gegen römischen Einrichtungen gehörten zur Tagesordnung. Auch der passive Teil der Bevölkerung zeigte kein Einverständnis. Schweigend, aber betend erwartete man die Wiederkehr des Messias. Eines Retters, der die verhassten Römer endlich beseitigen würde. Die Imperialisten wurden nervös. Kein ein anderes Volk widerstand mit solcher Ausdauer. Schließlich leitete Rom brutale Gegenmaßnahmen ein. Dazu gehörte die Kreuzigung. Ein qualvoller Tod, der jedem Aufrührer drohte. Unter Titus starben bis zu 500 Juden täglich am Blutbalken. Die römische Aggression steigerte sich zum Genozid. Deshalb deutete der Philosoph Ernst Fuhrmann – Zitat: „Wenn damals eine Millionen Juden umgebracht worden ist, dann konnte die Formel, Jesus ist gekreuzigt, nichts anderes meinen als eben diese Gesamtheit.“ Jesus stand symbolisch für alle Gekreuzigten, für sämtliche Opfer Roms.

Wer aber war dieser Jesus von Nazareth, dass er sich derart zur Projektionsfläche, zur symbolischen Verdichtung eignete? Schon seine Herkunft ist rätselhaft. Zwei der vier Evangelien ziehen die Abstammungslinie von Abraham, Juda bis zu König David. Eine gänzlich andere Version bot der griechische Philosoph Celsus im zweiten Jahrhundert: Danach war Jesu der Sohn eines römischen Legionärs namens Pantera und eines einheimischen Mädchens mit dem Namen Miriam. Tatsächlich fand man 1859 in Bingerbrück einen Grabstein des römischen Legionär Tiberius Julius Abdes Pantera. Manch Historiker spekuliert, ob dieser Grabstein tatsächlich Jesus Vater ausweist. Bis heute ist er in der Römerhalle von Bad Kreuznach aufbewahrt. Die vielleicht einzige Reliquie der heiligen Familie.

Ebenso verrätselt wie Jesu Herkunft sind die Deutungen seines Wirkens. Das begann schon zu seinen Lebzeiten. Das Matthäus-Evangelium berichtet – Zitat: „Als Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger: Für wen halten die Leute den Menschensohn? Sie antworteten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen der Propheten.“ Das war keineswegs alles. Mancher vermutete in Jesus gar für einen Magier oder einen zelotischen Widerstandskämpfer. Die asketischen Gnostiker hielten Jesus wiederum für ein Lichtwesen. Er habe lediglich in einem Scheinkörper gelebt und die Befreiung der Seele vom Physischen gelehrt. Außerdem galt Jesus als großer Heiler, als Konkurrent zum griechischen Asklepios. „Einen Arzt gibt es, Jesus Christus, unseren Herrn“ – so feierte ihn Kirchenvater Ignatius von Antiochien. In all diesen Deutungen hat der Kreuzestod kaum eine Bedeutung. Dessen zentrale Platzierung stammt vom heiligen Paulus: Der erklärte Jesus zum Sohn Gottes. Den Kreuzestod habe er zur Tilgung menschlicher Sünden durchlitten. Ein freiwilliger Opfertod zur Rettung aller. Diese Interpretation fand Eingang in die vier Evangelien, auf denen das heutige Christentum basiert. Danach war die Kreuzigung kein trauriges Ende, sondern Höhepunkt im Wirken Christi. Zumal sein Tod nicht von Dauer war. Die Auferstehung, seine Überwindung des Todes ist für Paulus das Entscheidende am christlichen Glauben – Zitat: „Wenn aber Christus nicht auferstanden ist, so ist unsere Verkündigung vergeblich, und vergeblich auch euer Glaube!“

Wie weit kann diese Auferstehungslegende noch Hoffnung spenden? Bereits 1921 erklärte der protestantische Theologe Rudolf Bultmann: Über den historischen Jesus wissen wir fast nichts. Alle Dokumente sind Glaubensbekenntnisse, Idealisierungen, keine neutralen Berichte. Schlimmer noch: Wahrscheinlich hat kein Verfasser dieser Dokumente den historischen Jesus persönlich gekannt. Daher verlegte Bultmann seinen Glauben auf die Ur-Christen: Nicht der historische Jesus ist entscheidend, sondern die spirituelle Vision der Urchristen. Zu ihr gehört auch die Lehre von der Auferstehung. O-Ton Bultmann:

„Der christliche Glaube an die Auferstehung glaubt, dass der Tod nicht das Versinken in das Nichts ist, sondern dass Gott, der ständig der auf uns Zukommende ist, dieses auch in unserem Tode ist. In diesem Sinne ist der Glaube an die Auferstehung das Kriterium dafür, ob jemand ein Christ oder ein Nichtchrist ist.“

Diese Stelle erlaubt einen Brückenschlag in unsere postchristliche Gegenwart. Vielleicht nicht mehr als Glaubensbekenntnis formuliert, sondern in Form von Fragen. Gerne auch ohne mythologischem Beiwerk. Etwa so: Sind Geist und Seele tatsächlich pure Biochemie, wie uns Neurobiologen versichern? Oder: Erklärt sich Geist wirklich auf kybernetischer Basis, so wie Mind-Forscher und KI-Experten uns erzählen? Könnte es nicht sein, dass die Naturwissenschaft – wieder einmal – irrt? Dass der Tod nicht das endgültige Aus bedeutet? Dass es vielleicht doch ein Fortbestehen, eine Auferstehung geben könnte? Was wäre, wenn wir am Ende gar nicht verloren sind? Vielleicht ist das Osterfest ein guter Anlass, sich diesen Fragen zu stellen.

Quelle: apolut

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