"Milchflut. Melken bis zum Ruin"
Archivmeldung vom 22.06.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWie kann es sein, dass Vollmilch inzwischen billiger ist als Mineralwasser? Und warum produzieren die Bauern trotzdem immer mehr und melken sich damit in den Ruin? Die SWR-Autoren Monika Anthes, Edgar Verheyen und Christoph Würzburger unternehmen eine Spurensuche in der paradoxen Welt der Milcherzeugung.
Jeden Morgen um sechs hat Doris Buhl eine feste Verabredung mit ihren Kühen. Dann ist Melkzeit. Mit ihrem Mann bewirtschaftet sie das Hofgut Homboll oberhalb von Weiterdingen am Bodensee. Doris Buhl kennt und liebt ihre Tiere, ihren Bauernhof, die Natur. Doch sie hat große Sorgen: Die Einnahmen aus dem Milchbetrieb reichen nicht mehr. Sie weiß nicht, wie es weitergehen soll. Der Preis für Rohmilch ist im freien Fall. Von 40 Cent im Januar 2014 sank er Ende Mai 2016 schon unter die 20 Cent Marke. Eine katastophale Entwicklung für viele Bauern. Das Erste zeigt "Milchflut. Melken bis zum Ruin" am Montag, 27. Juni, ab 23:50 Uhr als "Story im Ersten".
"Wachse oder weiche" - nach diesem Muster haben sich viele Milcherzeuger in der Vergangenheit massiv verschuldet und in größere Tierbestände und moderne Stalltechnik investiert. Berater und Politik hatten sie dazu ermutigt, in der Hoffnung, dass Milch aus Deutschland und Europa weltweit immer ihre Abnehmer finden werde. Auch darum war im April 2015 die sogenannte "Milchquote" gefallen - eine Produktionsbeschränkung, die 31 Jahre lang die Milcherzeugung in Europa drosseln sollte. Peter und Wilhelm Habbena aus Krummhörn in Ostfriesland haben sich fit gemacht für den Weltmarkt. Die Brüder haben mehr als 1 Million Euro investiert und müssen nun massive Einkommenseinbußen hinnehmen. Obwohl ihr Betrieb hocheffizient arbeitet, stehen sie finanziell mit dem Rücken zur Wand. Denn der freie Markt lässt die erzeugten Mengen weiter steigen und die Preise für Milch noch weiter sinken. Viele Bauern sitzen in der Schuldenfalle und melken sich immer tiefer in den Ruin.
Trotzdem wollen Europas Agrarpolitiker keine Rückkehr zu einer staatlichen Mengensteuerung: "Die Lösung der Milchkrise muss im Markt selbst und durch die Beteiligten gefunden werden", sagt Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und empfiehlt als Ausweg weiter den Export - auch in Länder der Dritten Welt. Mit bedrückenden Folgen für die dortige Landwirtschaft. Eine "Sintflut" billiger Milch überschwemme die Länder Afrikas, konstatiert Volker Riehl, Entwicklungshilfeexperte bei Misereor. Es sei "verheerend zu sehen, wie durch eine verfehlte Exportpolitik in Afrika Armut gefördert" werde. Somit zahlten auch die Menschen dort einen bitteren Preis für die billige Milch in Europa.
Der Film läuft auch am Mittwoch, 29. Juni, ab 20:15 Uhr in der Reihe "betrifft" im SWR Fernsehen.
Quelle: SWR - Das Erste (ots)