AKTE 06: Wie die GEZ thüringische Unis zur Kasse bittet - Sendung: Donnerstag, 29. Juni 2006, 22.15 Uhr in Sat.1
Archivmeldung vom 23.06.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.06.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Jens BrehlDie GEZ leidet vor allem im Sendegebiet des Mitteldeutschen Rundfunks MDR unter dramatischem Gebührenschwund. Um das Minus auszugleichen, sind die Mitarbeiter der Gebühreneinzugszentrale der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands (GEZ) auf eine bisher nicht ausgeschöpfte Einnahmequelle gestoßen: die Universitäten.
Eine Sonderregelung im Rundfunkgebührenstaatsvertrag
entbindet "die öffentlichen allgemeinbildenden oder berufsbildenden
Schulen" von der Gebührenpflicht. Nicht so die Universitäten: Die
Hochschulen müssen sogar Zweitgeräte anmelden, die nur zum Anschauen
von Lehrfilmen und -videos dienen.
Jetzt haben GEZ-Mitarbeiter an der Uni Erfurt 50 Fernseher und 103 Videorekorder entdeckt, die nicht angemeldet waren: Für einen Zeitraum von pauschal fünf Jahren verlangt die GEZ 155.000 Euro Nachzahlung. Zudem müssen die vorhandenen Geräte empfangsuntauglich gemacht werden, was weitere Kosten in Höhe von 20.000 Euro verursacht. Die Ironie der öffentlich-rechtlichen Geldforderung an eine andere öffentlich-rechtliche Institution: Die Universität hatte seinerzeit aus Kostengründen statt teurer, nicht-empfangsfähiger Monitore einfache Fernseher angeschafft, die aber nicht an das Antennensystem der Hochschule angeschlossen wurden. Für den Kanzler der Uni Erfurt, Martin Henkel-Ernst, ist die GEZ-Rechnung ein Schock: "Mit dem Geld könnte ich drei wissenschaftliche Mitarbeiter oder aber zwei Professoren ein Jahr lang finanzieren." Nach Meinung von Henkel-Ernst lässt sich das Vorgehen der GEZ im Kern als Abzocke bezeichnen. Die GEZ-Mitarbeiter hätten die Taschenrechner "regelrecht glühen lassen", so Henkel-Ernst.
Andere Universitäten in Thüringen sind teilweise von noch höheren
Nachzahlungen betroffen, versuchen aber, sich mit der GEZ zu
vergleichen. Der Hintergrund: Der MDR verliert in seinem Sendegebiet
jährlich 70.000 Einwohner vor allem durch Abwanderung. Zudem lebt
jeder dritte deutsche Hartz-IV-Empfänger, die von der Gebührenpflicht
auf Antrag befreit sind, im Sendegebiet des MDR. In den nächsten
Jahren müssen 100 Millionen Euro eingespart werden, um den Haushalt
der Landesrundfunkanstalt wieder auszugleichen. Im AKTE-Interview
spricht sich auch der thüringische FDP-Landesvorsitzende,
Bundestagsabgeordnete und Bildungsexperte Uwe Barth gegen die
Gebührenpflicht der Universitäten aus und zeigt sich empört: Das
Vorgehen der GEZ sei wissenschafts-, hochschul- und
standortfeindlich: "In den Hochschulen liegt Deutschlands Kapital und
nicht das Kapital der GEZ."
Quelle: Pressemitteilung Akte 06